Wohin mit dem Fleur de Sel? In die Saliere!

Saliere mit Fleur de SelAls vor einigen Jahren Benvenuto Cellinis Saliera aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien gestohlen wurde, empfand ich, das muss ich zugeben, anfangs durchaus ein wenig Sympathie für die Diebe. Nur zu nachvollziehbar schien mir der vermutete Drang, ein so herrliches Meisterwerk besitzen zu wollen, es zu bewundern und zu bestaunen – und es natürlich dann und wann, seiner Bestimmung entsprechend, bei Tisch einzusetzen, um Neptun und Tellus das Salz und den Pfeffer ausgeben zu lassen. Als dann herauskam, dass die Diebe die Saliera nur gestohlen hatten, um das Museum zu erpressen, sie mehr schlecht als recht verpackt im Wald vergraben und sie dabei sogar beschädigt hatten, und dass sie schließlich sogar damit drohten, sie einzuschmelzen, wäre ich jedoch sofort bereit gewesen, den Dieben Dinge anzutun, die man lieber nicht öffentlich zugeben sollte. Jedenfalls: Die Saliera fand sich wieder an, wurde restauriert und befindet sich wieder dort, wo sie hingehört. Und ich stand weiterhin ziemlich lange ohne eine brauchbare Lösung da, wie ich denn mein Salz in optisch vertretbarem Rahmen auf den Tisch bringen sollte. Oder vielmehr: Nicht das Salz grundsätzlich, sondern seine feinste Variation: Das Fleur de Sel.

Das Fleur de Sel hat in den letzten 15 Jahren eine wirklich erstaunliche Karriere hingelegt: Vom in Deutschland kaum bekannten und ausgesprochen teuren Spezialprodukt für Leute, denen normales Salz zu normal war (zumindest kann ich mich an solche Vorurteile erinnern – sie stammten allerdings durchweg von Leuten, die auch behaupteten, oberhalb von 10 Euro sei beim Wein keine Qualitätssteigerung mehr machbar!) zur immer noch nicht ganz billigen, aber durchaus ziemlich verbreiteten und vor allem halbwegs akzeptierten Sonderform mit recht geschätzten Eigenschaften, von denen natürlich eine besonders hervorsticht: Es schmeckt einfach fabelhaft, und verleiht allen Rezepten, die man damit würzt, diese besonders feine, leicht maritime Salznote. Gekochte Eier verlieren mit Fleur de Sel ihren manchmal durchaus vorhandenen Hühnerstallhintergrund, grüner Spargel und geschmorter Wirsing bekommen mit nur ein paar Flocken Fleur de Sel einen herrlich komplexen Geschmack, und an gebratenes oder gegrilltes Rindfleisch lasse ich grundsätzlich keinerlei Gewürze – außer ein paar Kristalle Fleur de Sel.

Fleur de SelBei aller Begeisterung für das Fleur de Sel gab es dennoch immer ein paar Dinge, die mir nicht so recht gefielen: Fleur de Sel entsteht nicht, wie normales Meersalz, in Salinen, in denen einfach das Wasser verdunstet, bis nur noch das Salz übrig bleibt, sondern nur in wenigen, flachen Buchten und an heißen Tagen, windstillen Tagen, an denen sich eine dünne, kristalline Schicht Salz an der Wasseroberfläche absetzt und von Hand mit hölzernen Schaufeln geerntet werden muss. Unregelmäßig ist daher seine Form, und es bleibt naturgemäß immer ein wenig feucht und klebrig – ganz egal, ob es aus der Camargue stammt, aus Guérande, von Mallorca, Ibiza oder aus Slowenien. Und genau diese unregelmäßige, klebrige Feuchtigkeit ist auch sein Nachteil: Weder kann man es in normalen Salzstreuern einsetzen, noch ist es dazu geeignet, in Salzmühlen gefüllt und dann gemahlen zu werden. Freilich: Man könnte es so auf den Tisch stellen, wie es aus dem Laden kommt. Allein: Besonders hübsch sind diese Verpackungen in der Regel nicht. Hat man Gäste zum Abendessen, wird man eher selten eine bunte Plastikdose auf den Tisch stellen wollen. Und hat man keine Gäste, sollte man es erst recht nicht tun.

Fleur de Sel Dose

So eine Dose möchte man doch wirklich nicht auf dem Tisch stehen haben. Oder doch? Ernsthaft?

Der modernen Tischdekorationsindustrie übrigens scheint diese Frage herzlich egal zu sein. Da ich oft den Eindruck habe, es ginge dabei eher um die Dekoration und weniger ums Essen, schon gar nicht aber meist um praktische Erfordernisse, wundert es mich gar nicht, dass dieser Bereich so sehr vernachlässigt wird. Und natürlich: Wenn man die Möglichkeit hat, eine 1,5 m hohe, hochglanzpolierte Pfeffermühle auf den Tisch zu stellen, warum sollte man da dem kleinen Salz noch irgendwelche Aufmerksamkeit schenken. Und so fragte ich mich: Wie hat man das denn in früheren Zeiten gemacht? Als es nur eine Sorte Salz gab, dieses Salz aber eines der wertvollsten Handelsgüter war und ganze Städte unermesslich reich machte. Und natürlich auch noch einige Weile danach. Wie war das denn, als Salz in den bessergestellten Haushalten regelmäßig auf den Tisch kam, aber dennoch nicht in großen Packungen in der Küche herumstand und man nach Belieben davon nehmen konnte? Und als es schließlich häufig, aber doch in kleinen Mengen auf den Tisch kam? Die Antwort: Kleine Salzfässer gab es, mit oder ohne Deckel, gedrungen und massiv wirkend, oder elegant und schwebend. Aus schwerem, dumpfem Zink, aus Messing oder gar aus Silber. Und wo letzteres verwendet wurde: fast immer mit einem kleinen, kobaltblauen Glaseinsatz versehen, um dem Silber Korrosion durch Salzkontakt und dem Salz Metallgeschmack durch Silberkontakt zu ersparen. Und da diese kleinen Salzfässer ziemlich weit verbreitet waren, sind sie meistens auch nicht besonders schwierig und oft für wenig Geld zu bekommen: Aus 800er Silber und nicht allzu groß bei Ebay, meist für einen geringen, zweistelligen Betrag, und aus feiner verarbeitetem 925er, mit raffinierten Details und in mittlerer Größe bei Juwelieren und im Antiquitätenhandel im durchaus moderaten, dreistelligen Bereich. Nur suchen muss man vielleicht ein wenig, bis man die richtige Saliere gefunden hat.

Saliere DetailNeben ihrem rein praktischen Nutzen und dem recht gut dosierbaren Maß an Glanz und Herrlichkeit, die sie auf den Tisch bringen, haben die kleinen Salzfässer aber durchaus noch einen weiteren, ganz netten Effekt: Sie entsprechen recht genau jenem manchmal bei Leuten, denen die Tischdekoration ganz besonders wichtig ist, gerne vergessenen, grundsätzlich aber immer zu beherzigenden Prinzip, dass weniger doch meist mehr ist. Oder, um es ein wenig greifbarer zu formulieren: Was will man denn mit abgeschnittenen Blüten, Zweigen, Tüchern, Rosenblättern, Porzellanfiguren (außer, sie wären Capodimonte!), Pinienzapfen, Goldfolie, ausgedörrtem Wurzelholz, leeren Muschelschalen, Mottoserviettenringen und sonstigem Flitterkram auf dem Tisch, wenn es doch eigentlich ums Essen und vor allem um die gute Unterhaltung geht? Braucht man denn wirklich mehr, als nötig ist, wenn das Nötige für sich schon so gut aussieht, dass man es nicht verstecken muss? Also runter mit dem ganzen Zeug vom Tisch! Und nur Salzfass, Pfeffermühle, Kerzen und das Essen draufgestellt! Denn nicht in der Fülle besteht der echte Luxus, sondern in leiser, bescheidener Zurückgenommenheit, den besten Materialien, der feinsten Handwerkskunst, der Aufmerksamkeit noch für das geringste Detail, und vor allem der Wertschätzung dem Alten und Ererbten gegenüber.

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