Ich esse gerne Wild. Und ich koche auch gerne mit Wild. Vermutlich aus diesem Grund bekomme ich regelmäßig kleine Kochbücher für Wildrezepte geschenkt. Manchmal stammen diesen kleinen Kochbücher von Jägern, die sich zusammengetan haben, um gemeinsam ihre Lieblingsrezepte herauszugeben. Und manchmal – leider öfter, als man erwarten würde – stolpert man in diesen Rezepten über Zutaten wie „Wildgewürz“, „Brühwürfel“, „Saucenbinder“ und ähnliche Grausamkeiten – oder über Anweisungen, ein großes Stück Hirsch sei 20 Minuten im Ofen zu braten und dann fertig. Und ich frage mich dann: Müssten es denn nicht gerade die Damen und Herren Jäger eigentlich besser wissen? In der Regel, da bin ich ganz sicher, tun sie das auch. Und dennoch: Von Zeit zu Zeit kommen mir solche Rezepte unter, und ich finde es dann schade, wie man diese herrlichste aller Fleischvarianten mit solch plumpen, oft nicht allzu natürlichen Zutaten in Bezug auf natürlichen Geschmack und vor allem auf die Bekömmlichkeit um die Ecke bringen kann. Denn eigentlich ist es ja ganz einfach, so ein Wildragout zu machen. Und genau darum geht es hier:
Wild in Ragoutform deshalb, weil man am wenigsten Schwierigkeiten hat, es auf dem Wege des Schmorens in beißbare, aber dennoch saftige Stücke zu verwandeln. Für alles übrige gibt es auch andere Methoden. Und weil man es in Ragoutform am einfachsten bekommen dürfte, wenn man nicht gerade einen Jäger kennt, von dem man sich mit den bevorzugten Stücken beliefern lassen, oder Kunde bei einem Marktstand ist, bei dem man sich die besten Stücke reservieren lassen kann. Exemplarisch andererseits deshalb, weil dieses Rezept eigentlich so gut wie auf alle größeren, in unseren Breiten bejagten Wildtiere anwendbar ist. Den gefälligen Standardhirsch, das strenge Reh und das von Haus aus schon eher würzige Wildschwein. Auf die Gemse natürlich auch, auf Damwild ohnehin, und auf das sogenannte Wild-Edelgulasch letztlich, das man tiefgekühlt und aus Übersee importiert beim Discounter kaufen kann. Wobei letzteres natürlich andere Fragen aufwirft, denen wir hier nicht nachgehen wollen – es sei daher explizit als billigste Variante in dieses Standardrezept mit eingeschlossen.
Was man braucht (für 2 durchaus üppige Portionen oder deren 4, wenn sie Teil eines größeren Menüs sind und eher bescheiden ausfallen sollen):
- ½ kg Wildragout. Hier war es Wildschwein.
- ½ Liter Rotwein. Den Rest sollte man als Reserve bereithalten. Zum Kochen natürlich!
- 1 Zwiebel, gehackt
- 1 Möhre, in Stücke geschnitten
- 1 Selleriestange, in Stücke geschnitten
- Salz und Pfeffer
- 1 Knoblauchzehe, gehackt
- Mehl
- Gewürze: Nelken, Wacholder und Lorbeer gehören zur Grundausstattung. Dazu kamen im vorliegenden Fall Piment und Salbei. Der Fantasie sind hier eigentlich keine Grenzen gesetzt – es kommt eher darauf an, in welche Richtung man es treiben möchte.
- Butter
- 200 ml Wildfond oder Fleischbrühe: Beides sei als Zugeständnis an die Küche modernen Zuschnitts (in der man selbst keine Knochen röstet, Brühen nicht selbst ansetzt und sie auch nicht selbst tagelang reduziert) erlaubt – man bekommt durchaus entsprechende Produkte, die tatsächlich aus echten Zutaten bestehen.
Das Rezept:
Das Fleisch mit der Hälfte der Gewürze, Pfeffer, dem Gemüse und dem Rotwein in einen Topf geben und einen Tag lang kalt marinieren. Das Fleisch herausnehmen und abtropfen lassen, die Marinade durch ein feines Sieb gießen und sie und das Gemüse getrennt zur weiteren Verwendung aufbewahren. Den Ofen auf 180 °C (Ober- und Unterhitze) vorheizen. Butter in einem gusseisernen Bräter erhitzen und das Fleisch kurz, aber scharf bei starker Hitze anbraten – ggf. die Hälfte davon in einer zweiten Pfanne anbraten und dann in den Bräter geben. Das Marinadengemüse, den Knoblauch und die zweite Hälfte der Gewürze hinzufügen und mit Mehl anstäuben. In mehreren kleinen Schritten mit der Marinade ablöschen, dann den Deckel aufsetzen und 2 Stunden im Ofen schmoren. ½ Stunde vor Ende der Schmorzeit den Deckel abnehmen, um den Sud eindicken zu lassen. Falls die Sauce zu trocken wird, kann man an dieser Stelle mit dem Rest des Marinadenweins nachtanken. Aus dem Ofen nehmen, das Fleisch herausnehmen und warm stellen. Die Sauce abermals durch ein Sieb in eine Kasserolle geben, Fond oder Brühe zugeben und auf den gewünschten Grad reduzieren – wenn man davor keine Scheu hat, kann ein wenig Mehl zum Binden einsetzen. Das Saucengemüse kann zusätzlich im Mixer püriert und wieder in die Sauce gerührt werden – geschmacklich wird es unwesentlich, in der Konsistenz dadurch aber deutlich rustikaler. Fleisch und Sauce auf vorgeheizen Tellern servieren oder direkt im Bräter (sofern er einigermaßen ansehnlich ist) auf den Tisch bringen.
Variationen:
Dies ist, wie schon mehrfach erwähnt, als exemplarische Basis zu verstehen: Man kann es in alle möglichen Richtungen weiterentwickeln. Auch ohne das Marinieren funktioniert es durchaus, oder mit Preiselbeeren und saurer Sahne in der Sauce, mit anderen Gewürzen, diversen Wildsorten und sogar (unter Einschränkungen) ohne gusseisernen Schmortopf – wobei man an einem solchen irgendwann nicht mehr vorbeikommt. Und sei es nur deshalb, weil der gusseiserne Deckel eines gusseisernen Schmortopfs ausreichend schwer ist, um nicht von Nachbars Katze angehoben werden zu können, während man das Fleisch in der Marinade darin auf der Terrasse stehen hat. Außer natürlich, es wäre ein Leopard. Aber dann hätte man vermutlich ganz andere Probleme. Jedenfalls, und darum geht es mir eigentlich: Wildragout ist kein anspruchsvolles Essen. Alles, was man braucht, ist ein wenig Zeit. Es muss aber auch nicht schnell gehen – Geschmortes nimmt es nicht übel, wenn man ein wenig länger braucht oder nochmal nachlesen möchte. Und auf künstliche Zutaten aller Art kann man im Gegenzug getrost verzichten.
Was es dazu gab:
Klassischerweise würde man dazu natürlich Knödel und Blaukraut (das mancherorts ja auch als Rotkohl bekannt zu sein scheint) essen, oder Kastanien, oder sogar Spätzle. Und das geht natürlich alles in eine eher rustikale Richtung. Da ich mich in den letzten Woche jedoch sehr mit Quitten angefreundet hatte, wurde bei mir ein herbstliches, angedörrtes Quitten-Kürbis-Zweilerlei dazu serviert, das mit dem Gewicht des Wildragouts gut fertig wurde, andererseits aber fein genug war, um das ganze Essen nicht allzu rustikal wirken zu lassen.
Der Wein dazu:
Mit dem Wein zum Wild kann man deutlich mehr falsch machen, als mit dem Wild an sich. Denn natürlich muss der Wein mit dem schweren Fleisch und der schweren Sauce fertig werden, durfte in diesem Fall aber unter keinen Umständen die ziemlich feine Beilage erschlagen. Und da der mittelmäßige Barbaresco, den ich dafür (und weil es Wildschwein war, die ich mir im Piemont ziemlich allgegenwärtig vorstelle) vorgesehen hatte, leider ziemlich tot war, wurde es, was es in solchen Fällen immer wird: Pfälzer Spätburgunder von Philipp Kuhn in Laumersheim. Meine letzte Flasche des 2011ers, die ihr Holz mittlerweile gut verdaut hatte, und deren Schwerpunkt sich hin zu einer etwas feineren Burgunderfrucht verschoben hatte, als sie noch vor einem Jahr erkennbar war. Gut also, dass das Schmorgemüse nicht in der Sauce gelandet war!