Dass die Sauce unbedingt zum Braten gehört, ist nicht nur allgemein bekannt, es wird meist auch allgemein erwartet. Umso erstaunlicher scheint dafür, dass es oft schon bei den Begrifflichkeiten Schwierigkeiten gibt. Dabei ist das Gute vom Bösen hier so einfach zu unterscheiden wie sonst nur bei Apfelbäumen in Paradiesgärten: Die Sauce ist das Gute, Feine, Begehrte, voller geschmacklicher Reichtümer, dafür aber frei von Klebrigkeit, Klumpigkeit und anderen Hässlichkeiten. Ihr gegenüber, buchstäblich auf der dunklen Seite: Die Soße. Undurchsichtig, pampig, mit Mehl- und Hefenoten, voller laffer Dosenpilze und urinfarbener Fettaugen in Vollmondgröße, vor allem aber von so hoher Oberflächenspannung, dass sie manchmal gar wie eine bräunlich verdichtete Vorstufe zum Wackelpudding wirkt, und nach deren Verzehr sich gar nicht so selten eine gewisse Pelzigkeit auf der Zunge und eine gewisse Blutleere in den vorderen Hirnlappen einstellt. Oder, um die ganze Unterscheidung einfacher zu halten: Die Sauce ist, was man persönlich und unter Zuhilfenahme einer nicht zu knappen, aber meist sehr vertretbaren Menge Zeit sowie frischer, natürlicher Zutaten und Vorprodukten aus ebensolchen unter Inkaufnahme möglicher Resultatsrisiken herstellen kann. Die Soße dagegen, so viel sei ihr zugestanden, misslingt selten, liegt doch bereits ihr Idealzustand so sehr außerhalb alles Genießbaren, dass man sich innerhalb des Schlechten keine Gedanken mehr über weniger schlecht und noch schlechter machen muss. Denn natürlich gibt es keinen guten Geschmack im schlechten.
Dabei soll es hier auf keinen Fall darum gehen, die Soße aus der Tüte schlecht zu machen. Denn in der Regel ist sie das schon, wenn man ein paar minimale Erwartungen mitbringt. Oder nach Eigenschaften und Bestandteilen zu suchen, derentwegen man sie meiden sollte. Denn die sind schon leicht auffindbar in der Zutatenliste nachzulesen. Nein, tatsächlich sollen allein ihre Konsistenz und die Erwartung an ihre geschmacklichen Eigenschaften der Grund sein, warum wir keinesfalls weiterhin mit ihr zu tun haben wollen. Und warum wir hier die schöne, die wahre, die reine Sauce preisen wollen, die meist ganz ohne solche Inhaltsstoffe auskommt, die man oft auch dann noch nicht wirklich einschätzen kann, wenn man sie einmal im Verzeichnis kennzeichnungspflichtiger Zutaten nachgeschlagen hat, sondern die aus nur aus wenigen, dafür aber ganz entscheidenden Zutaten besteht: Den Röstknochen, dem Röstgemüse, der Brühe, womöglich dem Fond, ein paar Gewürzen und allenfalls noch Wein, Sahne und ein wenig Mehl und Butter.
Gerade der Fond ist übrigens etwas, das in Bezug auf seine Bestandteile noch einmal ein wenig Aufmerksamkeit verdient. Denn natürlich ist Fond nicht gleich Fond. Bevor man aber dazu übergeht, ihn (was man tun kann, wenn man Zeit hat – aber wer hat schon so viel Zeit?) selbst herzustellen, kann man ihn auch kaufen, wenn man ein wenig die Liste der Inhaltsstoffe im Auge behält. Dinge wie „Kein Geschmacksverstärker lt. Gesetzt“ sind übrigens keine Empfehlung – genausowenig sollten Hefeextrakt, Selleriesalz und so ominöse Dinge wie nicht näher definierte „Aromen“ drin sein. Ist dies nicht der Fall: Her mit dem Fond, und rein in die Sauce! Die in diesem Fall eine einfache Rotweinsauce auf Rinderknochenbasis war und zu einem leider nicht ganz tadellosen Rinderfilet aus dem Ofen im Südtiroler Schinkenmantel gegessen wurde.
Was man braucht:
- 2 Fleischknochen (Rind oder ggf. Wild für schwere Bratensaucen. Geflügel für Geflügel. Und so weiter.)
- 1 Zwiebel, gehackt
- 1 Selleriestange (oder eine Knolle – mir sind die Stangen meist lieber), gehackt
- 1 Möhre, gehackt
- 1 TL Tomatenmark
- 200 ml Bratenfond (Wildfond oder Kalbsfond, wenn der Braten in die entsprechende Richtung geht.). Hier war es die Eigenmarke von Galeria Gourmet, die in puncto Zutaten ziemlich sauber ist.
- 400 ml Fleischbrühe. Oder mehr Fond, wenn man es ein wenig intensiver mag. Und teurer.
- Butter. Gerade so viel, dass Röstknochen und -gemüse gut anrösten, aber keine angekohlten Stellen bekommen.
- Rotwein, da es eine schwere, dunkle Rotweinsauce sein sollte. Weißwein oder anderer (leichter!) Sprit sind natürlich ebenfalls denkbar.
Das Rezept:
Wenig Butter in einer großen Kasserolle erhitzen und die Knochen darin bei eher starker Hitze 20 Minuten von allen Seiten anrösten. Das Röstgemüse zugeben und nochmals 10 Minuten rösten, dabei gelegentlich umrühren. Das Tomatenmark mit ein wenig heißem Wasser verdünnen, unterrühren und weitere 5 Minuten anrösten – dabei immer rühren, denn jetzt ist das Risiko, dass bittere Brandnoten und schwarze Klumpen entstehen, am größten. Mit Rotwein ablöschen, reduzieren, nochmals ablöschen und wieder reduzieren, abermals ablöschen und schon wieder reduzieren, und das Ganze schließlich ein viertes Mal. Mit dem Fond und der Brühe aufgießen und mindestens 2 Stunden auf sehr kleiner Flamme köcheln lassen. Falls nötig und gewünscht: Mit Mehl oder Sahne binden. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und servieren.
Fazit:
Guter Braten steht und fällt mit der Sauce. Einen wirklich hervorragenden Braten kann mit miserabler Sauce leider komplett ruinieren, während umgekehrt ein nicht ganz erstklassiger Braten (wie es hier der Fall war) von einer tadellosen Sauce in den meisten Fällen ohne weiteres gerettet wird. Oh, und wenn natürlich beide auf hohem Niveau zusammentreffen: Das ist dann natürlich das höchste Ziel, das sich mit Saucenkasserollen und Schmortöpfen erreichen lässt! Andererseits: Dem Kenner dürfte nicht entgangen sein, dass dieses Basisrezept nicht nur eine ganze Menge Möglichkeiten offen lässt, um geschmacklich in die verschiedensten Richtungen weiterentwickelt zu werden, sondern dass es natürlich auch deutlich aufwendiger geht, und dass man mit einer solchen noch aufwendiger gemachten Sauce auch noch einmal mehr Geschmack aus den Zutaten herauspressen kann. Aber: So viel Zeit hat man in der Regel nicht, wenn man nicht gerade hauptberuflich kocht oder Privatier ist. Ersteres wäre nichts für mich, und von letzterem bin ich noch so weit entfernt, dass ich regelmäßig an der Zeit sparen muss, die ich für mein Essen aufwende. Und in genau diese Richtung geht auch mein Saucenrezept: Gute Konsistenz, anständiger Geschmack, keine großen Umstände und nicht zu viel Zeit. Wem es ähnlich geht, der dürfte mit diesem Basisrezept mindestens so froh werden, wie ich es damit bin.