Als ich anfing, mich für Selbstgekochtes zu interessieren (das war ungefähr zu dem Zeitpunkt, als ich feststellen musste, dass mir für tägliche Restaurantbesuche Zeit, Geld oder sogar beides fehlte), da war meine Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf Rindfleisch gerichtet – ich dachte tatsächlich, ein Steak sei die einfachste Sache überhaupt, und mehr bräuchte es eigentlich nicht wirklich. Und in Bezug auf Geflügel im Allgemeinen und Huhn im Besonderen glaubte ich lange, dass da, sofern es sich nicht um Entenbrust handelte, kaum Geschmack drinstecke, es entweder völlig verfettet oder trocken und zäh sei, und man daher auch gar nicht so viel damit anfangen könne. Aber ach, welch Irrtum! Mit der Zeit nämlich fand durchaus der eine oder andere Vogel in meine Küche, und ich experimentierte ein wenig. Anfangs mit mäßigem Erfolg, als ich die Vögel am Stück in den Ofen packte und die Brüste nur mit ein wenig Speck gegen das zwangsläufige Austrocknen schützen wollte (was selten funktionierte), oder sie in der Pfanne zu braten versuchte. Mit der Zeit aber, und natürlich dem Einsatz besserer Werkzeuge (und teurerer Vögel, das muss ich zugeben), kam dabei etwas heraus, das mittlerweile absolut zuverlässig zu hervorragenden Ergebnissen führt und dabei auch noch den Garbedürfnissen der einzelnen Teile so eines Vogels ziemlich individuell Rechnung trägt. Ein Patentrezept also!
Was man immer und unbedingt beachten sollte, ist, dass so ein Vogel in der Tat aus mehreren, unterschiedlichen Teilen besteht – Brust und Keule, um genau zu sein. Die Keulen haben in der Regel das etwas intensivere Fleisch, sind aber auch deutlich fetter – auf ihnen schließlich läuft so ein Hühnervogel den ganzen Tag herum. Das bedeutet jedoch auch, dass sie sich nicht wirklich schnell durchbraten lassen und im Topf oder im Ofen durchaus ein wenig Zeit brauchen, bis das Fett einigermaßen herausgebraten und das Fleisch schön mürbe geworden ist. Die Brüste andererseits sind fein, zart und mager. Brät man sie zu lange, sind sie nicht nur ganz schnell durch, sondern werden zäh und trocken – man kennt das von Grillhähnchen, die zu lange auf dem Spieß waren. Als Lösung bietet sich an, Keulen und Brüste getrennt zuzubereiten oder sie zumindest unterschiedlich lange zu garen. Und genau darum geht es hier: Die Keulen werden zunächst auf der Hautseite kräftig angebraten, bis eine leichte Kruste entsteht, und dann geschmort. Und erst danach geht es daran, die Brüste zuzubereiten: Auch sie werden bei starker Hitze kurz von der Hautseite angebraten, dann auf die Fleischseite gedreht, um nahezu unmittelbar im Anschluss in den Schmortopf zu wandern. Als Ergebnis bekommt man intensive, mürbe und kaum mehr fettige Keulen sowie zarte, feine und vor allem noch besonders saftige Brüste. Kann man sich mehr wünschen?
Man kann. Denn damit ist das Huhn zwar fertig, aber man hat noch nichts dazu. Daher folgt hier noch einer der großen Rezeptklassiker für Hühnervögel: Die Sahnesauce. Genauer: ein Stubenküken in Sahne. Oder, für die Aufschneider unter uns: Poussin à la crème aux champignons glacés.
Was man braucht (für 2 Portionen):
- 1 Stubenküken
- 1 sehr kleine Lauchstange, in Ringe geschnitten
- 1 sehr kleines Stück Stangensellerie, in kleine Stücke geschnitten
- Butter
- 1 Glas Weißwein
- Etwa 100 bis 150 ml Hühnerbrühe oder, wenn man es kräftiger mag (oder das Huhn nicht so toll ist) Hühnerfond
- Salz und Pfeffer aus der Mühle
- 200 ml Sahne
- Ein paar Tropfen Zitronensaft
- Frisch gehackte Petersilie
- Eine Prise Mehl
Für die Beilage:
- Nochmal ein wenig Butter
- 10-12 Champignons
- 3-4 Zwiebeln, je nach Größe halbiert oder geviertelt. Falls sie sehr klein sind: Unbedingt trotzdem halbieren – mit ganzen Zwiebeln klappt es nicht.
- 1 TL Zucker
Das Rezept:
Das Stübenküken zerlegen: Die Keulen vom Rumpf trennen, dabei unbedingt darauf achten, dass das Rückenfilet nicht beschädigt wird, denn es ist vom ganzen Vogel das beste Stück, und das so ziemlich bei allen Hühnervögeln. Die Brüste auslösen, die Flügel aber daran belassen und nur deren Spitzen entfernen (damit hätte man nun suprême de poussin, falls man seine Gäste auch terminologisch beeindrucken wollte). Mit Salz und Pfeffer würzen.
Butter in einem gusseisernen Bräter zerlassen, bis sie anbräunt, dann die Keulen auf der Hautseite hineinlegen und auf eher größerer Flamme ein paar Minuten braten, bis die Haut bräunt. Hitze etwas reduzieren, Keulen wenden und Lauch und Sellerie zugeben. Nochmals ein paar Minuten braten. Sobald die Fleischseite ebenfalls leicht gebräunt ist, mit Mehl bestäuben und mit ½ des Weins ablöschen. Reduzieren, bis ein leicht angeschmorter Spiegel auf dem Boden des Bräters entsteht, dann den Rest des Weins zugeben und nochmals reduzieren. Schließlich Brühe oder Fond zugeben, Hitze reduzieren, abdecken und etwa 15 Minuten schmoren.
In der Zwischenzeit Butter in einer Pfanne erhitzen und die Brüste auf großer Flamme auf der Hautseite anbräunen, dann wenden und noch kurz auf der Fleischseite braten. Zu den Keulen in den Bräter geben, wieder abdecken und nochmals 10 Minuten schmoren. Die Teile herausnehmen, den Sud durch ein Sieb in einen Topf gießen, die Teile wieder in den Bräter geben und abdecken – die im Gusseisen gespeicherte Hitze hält den Vogel nun eine Weile warm, ohne ihn trocken werden zu lassen. Den Sud wieder auf den Herd stellen, Sahne zugießen, aufkochen und reduzieren, bis eine akzeptable Sauce entstanden ist. Zitronensaft und Petersilie einrühren (man könnte an dieser Stelle auch ein wenig mit Trüffelbutter herumspielen, aber das muss nicht unbedingt sein). Brust und Keule gemeinsam mit der Beilage auf vorgeheizten Tellern anrichten, den Vogel (nur den Vogel) mit der Sauce begießen und servieren.
Die Beilage:
Champignons und Zwiebeln, karamellisiert. Das ist der Klassiker zu diesem Rezept, und zudem ist es denkbar einfach zuzubereiten: Butter in einer Sauteuse erhitzen, dann die Champignons darin auf einigermaßen hoher Flamme anbräunen. Hitze (nicht zu stark) reduzieren, die Zwiebeln dazugeben, abdecken und etwa 15 Minuten lang schmoren. Dann den Zucker darüberstreuen, wieder abdecken und nochmal ca. 15 Minuten schmoren. Der Zucker sollte leicht karamellisieren, aber nicht anbrennen. Falls sich zu viel Flüssigkeit in der Sauteuse sammelt, den Deckel ein wenig anheben.
Anmerkung:
Dem Kenner wird natürlich sofort aufgefallen sein, dass hier stark vereinfacht wurde – es fehlen nämlich die Morcheln, die in der nicht ganz einfachen Version dieses Rezepts eigentlich dazugehören und nochmal für eine ganz besondere Note sorgen. Aber da es mir in erster Linie darum ging, den kleinen Vogel vernünftig zu schmoren, und Morcheln zudem einigermaßen teuer sind, so dass man sie vielleicht, solange man noch nicht allzu viel Übung hat, auch weglassen kann, habe ich hier darauf verzichtet. Und ganz ehrlich: Es ist auch ohne Morcheln ein großartiges Essen!
Der Wein dazu:
Viel Auswahl gibt es nicht: Das Rezept ist ein französischer Klassiker, und daher sollte der Wein es auch sein. Also: Chardonnay aus dem Holzfaß. Burgund. Im weiteren Sinne. Oder ein geeignetes Substitut. Die Chardonnayfrucht passt wie keine andere Traube zum Geflügel, und eine gewisse Lagerzeit im Holz verleiht dem Wein normalerweise genug Gewicht, um mit der eleganten Üppigkeit der Sahnesauce wunderbar zurecht zu kommen. Nachteil: Anständiger weißer Burgunder ist teuer, lagert sich eher länger als kurz, und ist, wenn man keine zuverlässigen Quellen hat, gar nicht so leicht zu bekommen. Substitute: Chardonnay aus dem Holz gibt es natürlich auch anderswo. Oder man weicht auf Riesling aus, wenn man welchen aus dem Holz bekommen kann. So oder so gilt aber: am Holz wird man hier nicht vorbeikommen, denn ein leichterer Weißwein hat gegen die nicht ganz fettfreien Keulen und gegen die Sahnesauce keinerlei Chance. Hier war es ein 2011er Rully von Château de Rully, der nur etwa zur Hälfte im Holz ausgebaut wurde, daher fast ein wenig zu leicht war und nach 4 Jahren sein Alterungspotential auch fast schon ausgeschöpft hatte. Ziemlich gut war er trotzdem.
Modifikationen:
Wie eingangs erwähnt, ist dieses Rezept keineswegs nur für Stubenküken geeignet, sondern eigentlich für jedes Huhn. Einzig die Mengen muss man ein wenig anpassen, und natürlich an den Garzeiten drehen. Für ein normales Maishähnchen von etwa 1,2 kg lässt man die Keulen also nicht nur 15 Minuten schmoren, sondern mindestens 30 oder mehr. Die Brüste indes können, je nach Größe, auch schon nach 15 Minuten gut sein – länger als 20 Minuten werden sie aber nur in Fällen brauchen, in denen man das Huhn mit einem Kapaun verwechselt hat. Für Perlhuhn ist das ganze Prinzip ebenfalls anwendbar, und auch hier gilt normalerweise: Keulen fett, daher länger schmoren, Brüste fein und mager, daher nur kurz und schonend. Welche Vögel bleiben noch? Fasan und Rebhuhn brauchen eigentlich andere Rezepte, und Enten und Gänse ohnehin, da sie keine Hühner sind. Wachteln sind fast zu klein dafür, Pfauen und Schwäne sind schon seit ein paar Jahrhunderten nicht mehr in der Küche anzutreffen, und unter australischen Thermometerhühnern und südamerikanischen Chakalakas kann ich mir ohnehin nicht recht etwas vorstellen.