Vorbereitung ist ja bekanntlich die Hälfte von was auch immer. Das trifft insbesondere dann zu, wenn man sich – sei es, weil man eingeladen ist oder gar dafür bezahlt hat – gelegentlich auf kleineren oder größeren Weinveranstaltungen herumtreibt. Denn natürlich ist so etwas kein Spaß, sondern harte Arbeit, geht man dort doch im Idealfall nicht hin, um mehr oder weniger gratis eine möglichst flattrige Fahne mitzunehmen, sondern um zu probieren, zu testen, zu notieren und die gewonnenen Erfahrungen in den Ausbau des eigenen Kellers einfließen zu lassen – oder sie zumindest in Aufschneiderei umzusetzen. Und ich spreche hier nicht von den eher kleinen, intimen Veranstaltungen im Wohnzimmer oder in Winzers Garage, wo man in zwei Stunden acht Weine probiert und dann Bestellformulare ausfüllt. Nein, um die größeren Veranstaltungen geht es her, bei denen sich mehrere hundert Weine probieren lassen. Und auf die man sich entsprechend vorbereiten sollte, sofern man nicht schon vor der Halbzeit die Halle mit den Füßen voran wieder verlassen möchte.
1. Das anständige Frühstück:
Das Frühstück sollte so ausfallen, dass man damit zur Not bis zum Ende des Tages kommt. Also üppig. Sehr üppig. Aber nicht so, dass man danach sofort unbrauchbar ist. Schinken, Wurst, Käse, Eier. Gerne auch Speck, gebratene Blutwurst, Baked Beans, solches Zeug. Eine gute Grundlage also. Bedeutet bei mir: Nur wenig Obst. Gekochte Eier. Und dick belegte Brote mit Südtiroler Schinken und geräuchertem Schnittkäse. Und eine große Kanne Assam dazu. Was man eben so zu sich nimmt, wenn wirklich Anstrengendes bevorsteht.
2. Die Trink- und Ausschlussliste:
In den wenigsten Fällen wird man keine Gelegenheit haben, nicht schon vorab zusammenzustellen, was und wo man probieren möchte. Das sollte man nämlich unbedingt tun. Und man sollte sich im Großen und Ganzen daran halten. Kommt man dagegen von Weg und Liste ab, dann verläuft, verrennt man sich schnell, und endet, ehe man sich versieht, dort, wo man vielleicht niemals hinwollte, ohne erhascht zu haben, was man eigentlich wollte. Ein Beispiel: Wenn ich mir vornehme, Erste Lagen vom Pfälzer Riesling zu probieren, weil der Keller in diese Richtung zu ergänzen ist, dann probiere ich erste Lagen vom Pfälzer Riesling. Keine Sauvignons, keine Beaujolais Crus und keine Chateauneufs. Oder zumindest erst, wenn die Rieslingliste abgearbeitet ist. Das mag ein wenig kleinkariert erscheinen. Und das ist es auch. Dafür habe ich aber am Ende, was ich wollte. Und der Chateauneuf-Mann freut sich auch noch, wenn man erst nach ein paar Stunden an seinen Stand kommt.
3. Die richtigen Schuhe:
Noch so eine Banalität: Wer den ganzen Tag von Stand zu Stand geht und dann immer wieder nur herumsteht, der braucht Schuhe, die das auch den ganzen Tag hindurch mitmachen. Die stabil sind und gleichzeitig bequem. Wenn sie dann auch noch halbwegs gut aussehen, hat man alles richtig gemacht. Und aus leidvoller Erfahrung sei noch angefügt: Wildlederschuhe sind, so schön entspannt sie auch wirken, niemals und keinesfalls für Veranstaltungen geeignet, bei denen farbwirksame Flüssigkeiten und Schwerkraft miteinander in Interaktion treten können. Denn Rotwein färbt. Was man aber beim gut polierten Kalbsleder mühelos abwischen kann, das wird beim rehbraunen Wildleder für immer kontrast- und konturenreich erhalten bleiben. Also Finger weg vom Wildleder, wer auf Weinveranstaltungen geht. Gleiches gilt übrigens für Küchenparties, wo mit Öl und Fett noch eine weitere Komplikation hinzukommt. Und es gibt ja wahrlich lohnenswertere Feindschaften, als von Schuhmacher und Schneider gehasst zu werden.
4. Platz für Kram:
Was man auch alles an so einem Tag mit sich herumschleppt: Schlüssel und Geld, Telefon, Visitenkarten, die Preis- und Ausstellerliste, Stifte, eine Stunde um Stunde zunehme Zahl an kleinen Präsenten, und schließlich auch den ganz unerlässlichen Proviant (siehe Punkt 5): Das braucht alles eine Menge Platz. Für den es zwei Möglichkeiten gibt: Man hängt sich einfach eine Tasche um, in der man aber irgendwann nichts mehr finden wird. Oder: Man hat speziell für solche Veranstaltungen nicht mehr ganz neue Blazer oder Tweedjacken mit einer Vielzahl an Taschen, in denen man eine Vielzahl von Dingen verschwinden lassen kann. Wohlsortiert, versteht sich, so dass sie auch sofort und ohne genaues Hinsehen wieder herauszuziehen sind. Unschätzbar, wenn man mit der Liste (siehe Punkt 2) hantiert, und noch viel unschätzbarer, wenn man an die Wurst muss (siehe Punkt 5).
5. Proviant für zwischendurch: Der Salami eigentlicher Sinn:
Auch, wenn man gut gefrühstückt hat, und auch dann, wenn man den Wein, den man probiert, immer gleich wieder ausspuckt, wird man irgendwann an den Punkt kommen, die Grundlage verlängern zu müssen. Ideal dafür: Kleine Salamis, trockene Blutwürste, Landjäger oder ähnliches Zeug, das sich links und rechts in den Jackentaschen unterbringen und bei Bedarf schnell und unauffällig hervorziehen lässt. Wobei Weinveranstaltungen wie die unsrige keineswegs den einzigen Anlass darstellen, zu dem man womöglich längere Strecken mit Salamikurzwaren überbrücken muss. Die Tweedjacken- und Blazersalami gibt es daher außerdem beim Pferderennen, bei Hochzeiten oder auf Einkaufstouren, auf denen ich nur der Tütenträger bin – und eigentlich bei allen Anlässen, an deren gastronomischer Ergiebigkeit ich zweifle. Aber schließlich brachte sich ja auch der alte Bismarck schon belegte Brote zu Staatsempfängen mit.
6. Die Restauration:
So viel Spaß man am Ende dann vielleicht auf der Weinveranstaltung hatte (und meist hat man ihn – gerade dann, wenn man die Sache besonders ernsthaft angegangen ist): Irgendwann ist es doch vorbei, und man muss wieder nach Hause. Wenn dort dann schon ein vorbereitetes Essen wartet: umso besser! Vorbereitet deshalb, weil man in der Regel nicht in der Lage sein wird, noch frisch zu kochen. Ja, sicher, man könnte jetzt essen gehen. Aber da der Tag lang war, und viel probiert wurde, stellt sich natürlich die Frage, wie sehr man überhaupt noch in der Lage wäre, a) ein Restaurant zu finden, b) es zu betreten, c) nicht gleich wieder zum Verschwinden aufgefordert zu werden, d) zu bestellen, e) sich als halbwegs anständiger Gast zu benehmen und f) auch noch die verdammte Rechnung zu bezahlen. Zumal die umständehalber bedingte und kaum zu vermeidende Euphorie bei der Durchsicht der Speisekarte zu den natürlichen Feinden des Kontostands gehört. Falls man es also nicht wie ich machen möchte und auf ein vorbereitetes Chili ausweichen kann, sollte man sich eher an Bratwurstbuden und derlei Einrichtungen halten. Da gibt es dann wenigstens auch Bier. Und darauf hat man sich ja schließlich schon den ganzen Tag gefreut!