Von der Hähnchenbrust zur Poulardenbrust in nur einer Umdrehung.

Hähnchenbrust PoulardenbrustStellen wir uns folgende Frage: Wann hat eigentlich das letzte Mal jemand eine Hähnchenbrust auf der Speisekarte eines halbwegs anständigen Restaurants gesehen? Und damit meine ich nicht die Cash-Cow der modernen Business-Lunch-Lokale, den Rucolasalat mit Hähnchenbruststreifen, schamhaft verschlungen, und mancher Business-Lunch-Liebhaberin einzig anständiges Essen. Nein, die ganz normale Brust vom ganz normalen Hahn meine ich. Oh, assoziiert hier jemand sofort das billige Fleisch herbei? Die Legebatterien? Die Käfighühner? Das Kükenschreddern (das damit ja gar nichts zu tun hat)? Die mit Fleischrassen gefüllten Masthähnchenfabriken, in denen vom Schlüpfen bis zum Schlachten nur ein paar Tage vergehen? Die eine höhere Gewichtszunahme aufweisen als der normale Mann beim Freibierabonnement? Und schließlich: blasses, weißes, faseriges Fleisch, dessen einziger Reiz zu sein scheint, dass es keinerlei Geschmack hat? Ich fürchte tatsächlich: all das dürfte mehrheitlich seine Berechtigung haben. Und doch: verschwunden ist die Hähnchenbrust beileibe nicht. Nur umbenannt hat man sie, und damit, fast reptilienartig, ihre alte Hülle schlechter Herkunft abgestreift. Ihr neuer Name: Die Poulardenbrust.

Tatsächlich klingt die Poulardenbrust so viel eleganter, so viel unverfänglicher, so viel interessanter auch. Und vor allem besser als das Fleischhähnchen, das es in Bezug auf Gewicht und Lebensdauer ja tatsächlich ist. Noch etwas anderes allerdings scheint mir in der Poularde mitzuschwingen: Nicht nur ein diffuses, ambitioniertes, fast preziöses Übertönenwollen der schlechten, nur noch von den Discounterpreisabhängigen gezwungenermaßen und den Geizkrägen freiwillig wohlgelittenen Herkunft aus den Fleischfabriken des Herrn Tricatel, sondern auch eine feine, leichte, bisweilen aber auch üppige Eleganz, eine Genußerwartung, ein Hauch der klassischen französischen Küche und all ihrer nouvellierten, mehr oder weniger erfolgreichen Nachfolger, ein wenig Hoffnung auf echten Geflügelgeschmack und die zarteste Konsistenz, die man sich im Zusammenhang mit derart unexotischem Vieh wie einem Haushuhn nur vorstellen kann. Eine Erwartung schließlich, dass man es hier tatsächlich mit Besserem zu tun habe als mit faseriger, durch und durch zu Tode gegarter, millimeterstark angebratener, mit zweifelhafter Sauce ersäufter, schlimmstenfalls noch überbackener Kohlenstoffmasse, deren einziger fleischlicher Zweck es oft zu sein scheint, nur ja so fleischfrei wie irgend möglich zu wirken.

Hähnchen Nature et RespectBevor wir es hier aber übertreiben: Es gibt sie noch, die guten Hühner. Und falls man sie nicht gerade im eigenen Stall fängt oder einen Metzger kennt, dem man auch in puncto Geflügel trauen kann (was, finde ich, viel schwieriger ist als bei so normalen Dingen wie dry aged Rindfleisch oder selbstgemachten Rostbratwürsten), bekommt man sie oft sogar in besseren Supermärkten. Oft stammen sie aus Frankreich, zunehmend aber auch aus Österreich und sogar aus Deutschland, wo eher auf Qualität ausgerichtete Geflügelzucht lange nicht so wirklich en vogue war, zunehmend aber ihre Freunde findet. Und vor allem: Auch, wenn man nur an der Brust interessiert ist, lohnt es sich immer, den ganzen Vogel zu kaufen. Einmal natürlich, weil für die Brust selbstverständlich der ganze Vogel gestorben ist, den es sich selbstverständlich so vollständig zu verwerten lohnt, wie es nur irgend möglich ist, und dann natürlich auch, weil man nur so sicher sein kann, dass ein wenig Haut und Fett noch dran sind, und natürlich die Flügel, die man zwar nicht unbedingt braucht, die aber noch ein wenig zusätzlichen Geschmack ergeben. Hat man so einen Vogel dann gefangen und zerlegt, kommt es, wie immer nur noch darauf an, sich nicht allzu ungeschickt anzustellen, um den herrlichsten Geschmack aus ihm herauszukitzeln. Und das ist hier ausnahmsweise gar nicht schwer:

Was man braucht:

  • 1 Huhn. Bzw. 1 Poularde – das mag man selbst entscheiden. Die Brüste samt den Flügeln ausgelöst, die Keulen ebenfalls und anderweitig verwertet, und die Karkasse schließlich zu Suppe gekocht. Oder Fond. Oder was auch immer.
  • Fleur de Sel und Salz aus der Mühle.
  • Butter.

Hähnchenbrust ausgelöst

Das Rezept:
Die Hähnchenbrust von beiden Seiten salzen und pfeffern. Butter in einer Eisenpfanne erhitzen, bis sie bräunt. Die Hähnchenbrust auf der Hautseite hineinlegen und bei eher starker Hitze ca. 5 Minuten braten, bis die Haut schön knusprig geworden ist. Hitze fast völlig wegnehmen, Huhn wenden, abdecken und höchstens 10 Minuten ziehen lassen. Falls sich zu viel Flüssigkeit in der Pfanne sammelt, den Deckel kurz vor Schluß abnehmen und nochmal ein wenig mehr Gas geben. Wenn nötig, die Kruste kurz mit dem Bunsenbrenner behandeln und servieren.

Der Trick:
Hähnchenbrust angebräuntIn der Regel bekommt man zwei verschiedene Varianten von der Hähnchenbrust: Gut gebräunt, aber faserig und zäh, oder zart und fein, dafür aber von eher unansehnlichem Äußeren und vor allem völlig ohne Röstnoten. Hier kommt beides zusammen: Ein kräftiges Anbraten von der fetten Seite, ein leichtes von der mageren, und ein langsames, schonendes Durchziehen des ganzen Rests, was der Brust ihre typische, feine Zartheit erhält. Wunderbar!

Was es dazu gab:
Hier waren der Fantasie saisonale Grenzen gesetzt. Spargel war zu haben, und Spargel musste es sein. Grün und gebraten. Mit Muskat und Käse. Herrlich. Und einer bescheidenen, eher der Verlegenheit entsprungenen Raffinesse wegen noch dazu: eine Pinienkern-Basilikum-Martini-Kruste auf dem Vogel.

Der Wein dazu:
Sauvignon Blanc BuitenverwachtingHier ist der Spielraum ungeheuer. Denn das schöne am guten Huhn ist, dass man so unglaublich viel damit anstellen kann, und es sich daher geschmacklich in die verschiedensten Richtungen treiben lässt. Für meine Variante mit der  Pinienkern-Basilkum-Martini-Kruste und dem gebratenen Grünspargel schien mir meine übliche erste Wahl, der dezent im Holz ausgebaute Chardonnay im Burgunderstil, ein wenig zu üppig, während mir mein anderer Favorit, der mineralische Riesling auch nicht wirklich dazu gefallen hätte. Und so bin ich ganz überraschend bei einer Flasche Sauvignon Blanc von Buitenverwachting in Constantia, Südafrika gelandet: Säurebetont, aber nicht allzu schlank, und für mein Huhn und den Spargel hier und heute fast perfekt. Ob es ihn nochmal dazu gibt? Das hängt wohl davon ab, ob sich auch das nächste Huhn wieder so wunderbar zur Poularde machen lässt.