Sous vide: Rehkeule in Kräutermarinade.

Rehkeule in Kräutermarinade und WeißweinWild in Weißwein zu marinieren mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Und man würde vermutlich auch nicht von selbst darauf kommen, wenn man es nicht irgendwo vorgeschlagen bekäme. Genau so ging es mir: Den Vorschlag fand ich in einem Kochbuch, das ich ansonsten sehr schätze, in dem sich aber auch hin und wieder die eine oder andere Kuriosität findet – offensichtliche Druck- und Denkfehler etwa, die aus 10 ml Essig dero 100 machen (brrrr!) oder für ein Bratenstück von 1,5 kg eine Garzeit von maximal 30 Minuten vorsehen, was eine einigermaßen blutige Sache werden kann. In ungefähr diese Kategorie habe ich die Weißweinmarinade für einen Rehbraten recht lange eingeordnet, zumal auch hier die Garzeit eher zu kurz  bemessen schien. Dann aber fiel mir eine handliche, kleine Rehkeule in die Hände, und so beschloss ich, mutig zu sein und es doch einmal mit der Weißweinmarinade zu versuchen. Nicht ohne eine gewisse Modifikation freilich!

Die Modifikation – die nebenbei bemerkt auch der Grund ist, warum ich das Rezept hier überhaupt veröffentliche, denn aus Kochbüchern abzuschreiben wäre ja ein wenig unsportlich – besteht vor allem darin, an der Garmethode ganz ordentlich zu drehen und auch die Zubereitung der Sauce nicht unbedeutend zu modifizieren. Statt des Bratens im Ofen und bei Höchsttemperatur, was empfindlichen Stücken selten gut tut, wird hier nun bei möglichst niedriger Temperatur gegart, und zwar über einen längeren Zeitraum. Zusätzlich findet das alles auch noch unter Luftabschluss im Wasserbad statt – sous vide also. Sous vide ist übrigens ziemlich einfach hinzubekommen, denn man braucht für den Anfang keine teure Ausrüstung, sondern lediglich einen einigermaßen funktionierenden und regelbaren Backofen, ein Thermometer (wenn der Ofen keines hat) und ein Vakuumiergerät samt geeigneten Vakuumbeuteln. Das Ergebnis war ganz fabelhaft: Eine herrlich mürbe, rosa gegarte Rehkeule mit feinster Kräuternote in einer nicht zu schweren, nicht zu dunklen Sauce – eine wunderbare Alternative also zu all jenen bleiernen, üppigen Wildrezepten aus der Standardecke.

Was man braucht:

  • 1 Rehkeule – hier waren es etwa 500 g.
  • 250 ml Olivenöl
  • 400 ml Weißwein
  • Thymian
  • Bohnenkraut
  • Oregano
  • Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle
  • 50 g Speckwürfel, allenfalls leicht geräuchert
  • Nochmal ein wenig Olivenöl
  • 1 Zwiebel, gehackt
  • 1 kleine Möhre, gehackt
  • 1 Selleriestange, gehackt
  • Nochmal ein wenig Olivenöl
  • 200 ml Wildfond

Das Rezept:
Öl und Wein zusammen mit Thymian, Bohnenkraut und Oregano in eine Schüssel geben und das Reh darin etwa 24 Stunden kalt marinieren. Herausnehmen, trocken tupfen und die Marinade aufheben.

Vakuummaschine oder hinreichenden Ersatz vorbereiten – die anzupeilende Kerntemperatur sollte bei 60 °C oder knapp darunter liegen. Das Reh in einem Bräter im restlichen Öl bei eher starker Hitze von allen Seiten kurz anbräunen, salzen und pfeffern, herausnehmen, in einen Vakuumbeutel einschweißen und versenken. Bei etwa einem Pfund Reh waren knapp 70 Minuten Tauchstation perfekt – lässt man es länger im Wasserbad, bekommt es eine leberartige Konsistenz, die nicht von jedem geschätzt wird.

Rehkeule sous vide

Im noch heißen Bräter den Speck und das Gemüse ordentlich anbräunen, mehrfach mit der Marinade ablöschen, reduzieren, den Wildfond zugießen und köcheln lassen. Sollte der Sud schnell eindicken, Hitze reduzieren und Deckel aufsetzen. Falls der Sud etwa 10 Minuten vor Ende der Garzeit noch zu kräuterlastig scheint und man gerne ein wenig mehr Süße hätte, ein wenig Tomatenmark mit Wasser vermengen und in den Sud einrühren. Dann bis auf die gewünschte Konsistenz reduzieren – es muss hier normalerweise nicht zu dick werden.

Fleisch aus dem Wasserbad nehmen, in Scheiben schneiden, mit der Beilage auf vorgeheizten Tellern anrichten, mit der Sauce beträufeln und servieren.

Die Beilage:
Bohnen im Speckmantel sind ja eigentlich keine besonders einfallsreiche Beilage. Andererseits: Man kann sie herrlich symmetrisch auf dem Teller anrichten. Und zumindest, wenn man sein Essen regelmäßig fotografiert, kann das eine tolle Sache sein. Aber ernsthaft: Die Bohnen im Speckmantel sind nur dann, was sie leider in den meisten Fällen sind, wenn man auf Fantasie und Mühe verzichtet, sie immer gleich und ohne Extras in Bacon einschlägt und sie dann brät, bis sie schwarz werden. Das jedoch war hier nicht der Fall: Bacon schien mir zum Reh ein wenig zu fett, so dass ich Südtiroler Speck genommen habe, der schon von sich aus eine gewisse, alpine Würze mitbringt. Und ich habe einen kleinen Bogen zur Marinade geschlagen und ein wenig Bohnenkraut und Pfeffer auf den Speck gestreut, bevor die Bohnen darin eingewickelt wurden. Gebraten werden müssen sie dann ein wenig vorsichtiger, ergeben aber gerade für dieses Reh in Weißwein und Kräutern die perfekte Beilage. Ach ja: Bohnen natürlich vorher etwa 8 Minuten kochen, abschrecken, und dann erst einwickeln und in die Pfanne werfen.

Der Wein dazu:
Mercurey Clos des Myglandes Domaine FaiveleyDass ich Wild grundsätzlich gerne mit Spätburgunder paare, habe ich, glaube ich, irgendwann schon einmal erwähnt. Aber mit dem Reh? Das ja vom Schalenwild das zarteste Fleisch und den feinsten Geschmack hat? Man kann das schon machen, sollte sich dann aber auch beim Wein in eine etwas feinere Richtung bewegen. Also Richtung Burgund. Da erwies es sich als wunderbare Fügung, noch eine Flasche 2006er Mercurey Premier Cru Clos des Myglandes von der Domaine Faiveley im Keller zu finden, die sich mit ihren blumigen, feinen Burgundernoten als ideale Begleitung erwies. Falls man nicht das Glück hat, gelegentlich im Keller über reifen Burgunder und ähnliche Dinge zu stolpern: Feinen Pinot Noir bekommt man auch anderswo – ich hätte vermutlich bei den üblichen Verdächtigen an der Ahr gesucht, während mir die sonst so geschätzten Beaujolais Crus (die ja auch aus Gamay gemacht sind, wenn man es ein wenig genauer nimmt) wahrscheinlich zu leicht gewesen wären.

Resteverwertung:
Diesmal blieb eine ganze Menge vom Reh übrig. Es ließ sich am nächsten Tag wunderbar in feine, dünne Scheiben schneiden und mit ein wenig Cumberlandsauce und gekochten Petersilienkartoffeln zum Mittagessen servieren. Ganz klassischer kalter Braten also – wo bekommt man sowas sonst schon? Nur ein Glas Portwein hätte dazu noch gefehlt!