Sous vide: Hirschsteaks.

Hirschsteak mit Calvados-Thymian-Confit auf gegrillter Polenta.Ich habe lange einen Bogen um Steaks von Rot- und Schwarzwild gemacht, denn wer regelmäßig mit Wild kocht, weiß natürlich, dass etwas festere Stücke gar nicht so selten sind, und natürlich auch, dass man gerade bei kleineren Stücken von eher größeren Tieren mit dem langsamen Schmoren im Ofen oder im geschlossenen Bräter so ziemlich die besten Ergebnisse erzielen kann. Aber da heutzutage anscheinend alles als Steak angeboten werden muss, um möglichst kleine Portionen und möglichst kurze Kochzeit bieten zu können, bekommt man durchaus auch Steaks von Hirsch und Wildschwein, denen sie aus der Keule geschnitten werden, welche wiederum eigentlich besser am Stück oder in Gulaschform geschmort werden sollte. Man fragt sich also: Geht das trotzdem? Oder wäre man nicht mit Filet und Rücken grundsätzlich besser dran (man wäre!)? Und vor allem: Wie kommt man denn bei derlei Kurzgebratenem überhaupt an eine vernünftige Sauce? Denn ohne eine solche geht es nicht. Ist ja schließlich kein Entrecôte vom Black Angus.

Tatsächlich kann man sich durchaus an solchen Wildsteaks versuchen, aber natürlich ist Wild kein Entrecôte, und daher auch nicht in zehn Minuten auf den Tisch zu bringen – sofern eine gewisse Zähigkeit im Fleisch vorhanden ist, muss man ihm diese auf andere Weise als mit den vom Rind gewöhnten drei bis vier Minuten pro Seite austreiben. Was sich anbietet, ist das sehr langsame Garen sous vide, also unter Luftabschluss und im Wasserbad. Dafür gibt es ganz wunderbare, ausgefeilte Geräte, die dem ebenso ambitionierten wie investitionsfreudigen Koch alle Sorge um die Zartheit seines Fleisches abnehmen. Klafft zwischen Investitionsfreude und Ambition dagegen eine gewisse Lücke, muss und kann man sich durchaus auf andere Art behelfen. Denn die meisten modernen Backöfen lassen sich recht genau auf Temperaturen um die 60 °C einregeln und halten diese dann meist auch ziemlich zuverlässig – was man allein noch braucht, ist ein Vakuumiergerät und sous-vide-geeignete Vakuumfolie. Hat man dann nicht ganz und gar zähe Brocken erwischt, kann daraus sogar ein ziemlich gutes und entgegen allem Bekannten auch ziemlich feines Wildessen werden. Wir machen daraus: Sous vide gegartes Hirschsteak mit Calvados-Thymian-Confit auf gegrillter Polenta. Es geht übrigens auch mit Wildschwein nach genau demselben Rezept.

Was man braucht (für 2 Portionen):

  • 2 Wildsteaks vom Hirsch oder Wildschwein
  • Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle
  • Butter
  • 2 tiefgekühlte Polentascheiben. Aufgetaut natürlich.

Wie, das sollte es schon gewesen sein? Ach ja, die Sauce:

  • 1 Möhre, gehackt
  • 1 kleine Zwiebel, gehackt
  • ½ Selleriestange, gehackt
  • ein paar von den Steaks abgeschnittene Fetzen. Wo gerade etwas übersteht und man kein allzu großes Loch reinschneidet. Ersatzweise Speck.
  • 1 kleines Lorbeerblatt
  • Rotwein
  • Wildfond. Kein Wildjus. Wirklich: Kein Jus. Und leider auch keine Demi Glace, denn anständige Demi Glace ist schon seit einer Weile nicht mehr in haushaltsüblichen Mengen zu bekommen. Pfui, Aromont!
  • Salz und Pfeffer.
  • Nach Belieben weitere Gewürze: Nelken, Wacholderbeeren, oder was sonst passend erscheint.

Für das Apfelconfit:

  • 1 Apfel, geschält, entkernt, in Würfel geschnitten und mit Zitrone beträufelt
  • 50 ml Calvados
  • 1 TL Zucker
  • 1 Tropfen Apfelessig
  • Thymian
  • Cayennepfeffer
  • Fleur de Sel
  • Butter

Das Rezept:
Sous-vide-Maschine vorbereiten. Oder in einem großen Topf Wasser erwärmen und gleichzeitig den Backofen auf 60-70 °C vorheizen.

Butter in einer Kasserolle zerlassen und das Gemüse darin scharf anrösten, bis es ordentlich bräunt. Die abgeschnittenen Fleischstücke (oder den Speck) zugeben und ebenfalls gut anbräunen. Mit Rotwein ablöschen, reduzieren, Wildfond zugeben, Gewürze einlegen und auf kleiner Flamme sehr sanft köcheln lassen. Diesen Schritt immer vor dem Rest ausführen. Gerne auch mit einer halben Stunde Abstand zum nächsten Schritt. Der Sauce wird es in jedem Fall bekommen.  In der Zwischenzeit kann man ja den Wein öffnen und probieren.

Wenig Butter in einer Pfanne zerlassen und die Steaks bei sehr großer Hitze maximal 1 Minute pro Seite anbräunen – gerade so lange, bis man eine ordentliche Maillard-Reaktion bekommt. Aus der Pfanne nehmen, salzen und pfeffern, vakuumieren und im Wasserbad im Backofen versenken. Oder, wenn man so eine Vakuummaschine hat: Diese den Rest machen lassen. 30 bis 40 Minuten Garzeit sind einigermaßen angemessen, vielleicht geht es mit so einer Maschine auch schneller.

Warten, Küche säubern, andere Dinge tun, nochmal den Wein probieren. Nur probieren! Dafür reicht ein Schluck.

Etwa 25 Minuten vor Ende der Garzeit die Polentascheiben in eine Grillpfanne legen und grillen, bis beidseitig eine feste Außenschicht mit dunklen Röststreifen entstanden ist.

In einem kleinen Topf Calvados, Zucker und einen Tropfen Apfelessig sanft erhitzen, bis sich der Zucker gelöst hat und der Calvados zu einer karamelligen Masse eindickt. Apfelwürfel zugeben, ein paar Flocken Butter einrühren und etwa 10-15 Minuten garen, bis die Apfelwürfel weich und mürbe sind und so gut wie keine Flüssigkeit mehr im Topf ist. Mit Fleur de Sel, wenig Cayennepfeffer und Thymian würzen. Warm halten. Das dauert insgesamt ebenfalls an die 25 Minuten.

10 Minuten vor Ende der Garzeit die Sauce durch ein Sieb gießen und, wenn nötig, reduzieren – sie sollte eher sehr zäh und dick sein.

Polentascheiben mit Fleisch, Sauce und Apfelconfit auf vorgeheizten Tellern anrichten und sofort servieren.

Warum man Jus (für dieses Rezept) meiden sollte:
Neben Fond bieten die besser sortierten Lebensmittelhandlungen (oder nein: eher jene, welche die höheren Ambitionen pflegen. Wobei es da durchaus eine Schnittmenge gibt, und Ambitionen nicht per se und immer schlecht sein müssen. Nur meistens.) oft auch Jus, der von manchem Fernsehkoch immer mal wieder gerne mit femininem Demonstrativpronomen versehen wird (die Jus), in Wirklichkeit aber maskulin ist, parce-que c’est LE jus. Jedenfalls stecken im Jus meist eine ganze Menge Gewürze (was gut ist), oft aber auch Tomatenmark und ähnliches, was meist zu einem eher süßlichen Geschmack führt, der in die Richtung dessen geht, das Menschen, bei denen die so genannte gutbürgerliche Küche nicht immer ausschließlich positiv konnotiert ist, als eine Art Mainstream-Wild-Geschmack bezeichnen könnten, da dort der herbe Geschmack des Wildfleisches mit gulaschcremeartiger Lieblichkeit übertönt werden soll, um so den sich unschuldig wähnen wollenden Gourmand mit Bambis bleigeladenem Tod zu versöhnen. Wenn man also nicht gerade in falscher Harmonie baden möchte, sondern beim Wild eine gewisse Herbheit schätzt: Finger weg vom Jus.

Der Wein dazu:

Kuhn Spätburgunder

Der wird hier ja wirklich ständig serviert. Er ist aber auch ziemlich gut.

Ich bin mir ziemlich sicher, schon erwähnt zu haben, dass ich Wild vorzugsweise mit deutschem Spätburgunder paare – so auch hier: Der Standardspätburgunder aus meinem Keller (von Philipp Kuhn aus dem pfälzischen Laumersheim) machte sich ganz fabelhaft. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen. Außer vielleicht: Wenn man nicht so sehr dem deutschen Spätburgunder in all seiner gelegentlichen Herbheit zugeneigt ist, kann man natürlich auch im Piemont, das oft ähnliche Sprödigkeit zu bieten hat, gut fündig werden, wo meine zweite Wahl ein einfacher Barbera oder Dolcetto gewesen wäre. Meinetwegen auch Barolo, wenn man andere, oder Barbaresco, wenn man sich selbst beeindrucken möchte – das mag man natürlich ganz nach Anlass und Absicht entscheiden.