Ein Gedankenexperiment: Könnte es gelingen, die hierzulande mit Abstand beliebteste Pastasauce auch unter dem Namen bekannt zu machen, unter dem man sie in ihrem Heimatland kennt? Also nicht als Sauce Bolognese? Und nicht als besonders schöne Tomatensauce mit Hackfleisch, oder gar Hackfleischsauce mit Tomaten? Nicht als jene italienische Sauce, die das Bayerische Kochbuch kennt? Und auch nicht unter den sonderbaren Namensschöpfungen jener Nachfahren eines glücklosen Jacques Tricatel, der noch 1976 letztlich keine Chance gegen einen genialen Charles Duchemin hatte? Sondern: Als Ragù. Wahrscheinlich nicht. Und was hätte man auch davon? Denn die Massen an Sauce Bolognese, die sicher jeden Tag zubereitet werden, würden, wofern sie schon nicht besonders gut sein sollten, davon auch nicht besser. Und genau das ist der entscheidende Punkt: Ragù ist keineswegs eine schnell zuzubereitende Sache, die man nebenbei jeden Tag machen kann, sondern erfordert ein wenig Wissen darüber, wie es gemacht wird, und vor allem auch gar nicht so wenig Zeit – mindestens zwei Stunden sollte man schon einplanen. Nimmt man sich diese Zeit aber: Oh, was für ein wunderbares Essen kann das werden!
Wenn man ausreichend Zeit hat, um Ragù zu machen, ist es tatsächlich nicht weiter schwer. Und das wiederum ist außerordentlich hilfreich, wenn man nicht so fit ist, sich aber dennoch etwas zu Essen machen muss. So geschehen an einem nicht besonders freundlichen Herbstabend, der (zusammen mit dem vorausgehenden Nachmittag, dem Mittag, einem recht wenig erfreulichen Morgen und einer sehr kurzen Nacht) noch im langen, obskuren Schatten Bruckners Sechster, einer Portion moules frites, mehreren Flaschen belgischen Biers, eines mittelmäßig reifen Käsesortiments und reichlich Portwein lag. Wobei das eigentlich eine ganz andere Geschichte ist. Was ich damit eigentlich sagen wollte: Solange man nur ausreichend Zeit hat, kann man Ragù eigentlich in nahezu jedem Bewusstseinszustand kochen. Und man bekommt ein durch und durch heißes, kräftiges und hervorragend schmeckendes Essen. Und das kann man ja auch durchaus manchmal gebrauchen.
Was man braucht (für zwei Portionen):
- Hackfleisch. Vom Rind. Nicht vom Discounter. Einfaches, anständiges Rinderhack, nicht allzu fett, dafür so frisch wie möglich. 200 g.
- ½ Möhre.
- ½ Selleriestange
- 1 kleine Zwiebel
- 1 Glas Weißwein
- Salz und Pfeffer aus der Mühle
- Oregano
- 1 Knoblauchzehe
- 1 Dose gehackter Tomaten aus der Dose (Polpa)
- Butter und Olivenöl
- Parmesan oder Grana Padano samt Reibe.
- Basilikum, wenn man für Dekoration zu haben ist
- Trüffelbutter. Aber nur, wenn man fit ist.
- Nudeln natürlich. Ich bevorzuge Tortiglioni oder große gerillte Penne. Spaghetti wären der Klassiker, Tagliatelle fast noch interessanter, Spiralnudeln dagegen haben irgendwie immer etwas übertrieben Hauswirtschaftsschulartiges an sich.
Das Rezept:
Butter und Öl in einem großen Topf erhitzen. Zwiebel, Möhre und Sellerie hacken und zusammen mit der Knoblauchzehe bei eher starker Hitze einige Minuten anbraten – insbesondere Möhren und Sellerie sollen ordentlich anbräunen und kräftige Röstaromen bilden. Gelingt diese eigentliche Grundlage der Sauce nicht, kann man es eigentlich auch gleich bleibenlassen. Wenn das Gemüse bereits gut angebräunt ist, das Fleisch zugeben, kräftig anbraten und dabei regelmäßig umrühren – das Fleisch darf sich leicht am Topfboden festsetzen, sollte aber nicht wirklich anbrennen. Dann den Knoblauch herausnehmen und das Ganze mit dem Weißwein ablöschen. Bei starker Hitze reduzieren, dann Gas wegnehmen, Tomaten zufügen und mit Salz, Pfeffer und Oregano würzen. Abdecken und mindestens 1½ Stunden auf sehr kleiner Hitze köcheln lassen – je länger, desto besser. Rechtzeitig das Nudelwasser erhitzen und die Nudeln kochen. Abgießen, in den Topf zur Sauce geben (jetzt wäre der Zeitpunkt, die Trüffelbutter unterzurühren, falls man sie verwenden möchte und sich dazu in der Lage fühlt), ordentlich mischen und auf vorgeheizte Teller verteilen. Sofort den Käse über die Pasta reiben und, wenn gewünscht, die Dekoration aufsetzen. Schnellstens servieren.
Der Wein dazu:
Ich habe ehrlicherweise nicht einen Schluck hinunterbekommen. Aber da (hoffentlich!) nicht alle Tage so sind: Ragù stellt in puncto Wein keine großen Ansprüche – es ist das Rezept, das immer dann gemeint ist, wenn auf Weinetiketten steht, der Wein sei für Pasta geeignet. Also das ganze schwere, dunkle Zeug aus Südamerika, Südafrika, Australien, oder natürlich ein beliebiger, kräftiger Rotwein aus Italien. Und falls man der Sache doch ein wenig mehr Aufmerksamkeit widmen möchte (und das Rezept mit Trüffelbutter versucht hat): Emilia-Romagna oder Toskana. Immer Sangiovese – Montalcino, Montepulciano, Chianti Classico, Morellino di Scansano oder Sangiovese di Romagna.