Pfälzer Saumagen. Eine Rufkorrektur.

Pfälzer SaumagenUm es gleich und unmissverständlich festzustellen: Pfälzer Saumagen ist ein fabelhaftes Essen. Keine Diskussion. Aber leider: Vermutlich ist der Saumagen das so ziemlich missverstandenste und am ignorantesten behandelte Essen hierzulande. Sicher liegt das am Begrifflichen: Weder Sau noch Magen sind im laienhaften Sprachgebrauch besonders positiv konnotiert. Dazu kommt: Es gibt immer noch eine Menge Leute, die über den Mann, der den Saumagen weltbekannt machte, spotten, weil er diese unbedingte Spezialität seiner Heimat besonders schätzt. Und womöglich auch aus anderen Gründen. Was wir hier lediglich als nicht besonders nett ansehen, ansonsten aber verschweigen wollen. Aber ganz ehrlich: Was sollte Helmut Kohl als echter Pfälzer denn sonst essen? Und warum sollte man sich darüber lustig machen? Konsequenterweise müsste ja dann auch über Italiener gelacht werden, die Pizza und Pasta lieben. Über Bayern mit einer Neigung zur Weißwurst. Über Schwaben mit einer Schwäche für Maultaschen. Und was es da sonst noch an Leuten aus Gegenden mit reichem kulinarischen Erbe gibt. Ja, ich weiß schon: wer das nicht hat, der lacht. Und dem ist auch nicht zu helfen. Arme Sau.

Saumagen am StückGelacht wird also aus Unwissenheit. Und probiert wird deshalb auch nicht. Übrigens, so scheint mir, vor allem von Leuten, die sonst sehr gerne in den verschiedensten kulinarischen Weltabschnitten herumexotisieren und damit gerne ihre Weltläufigkeit unter Beweis stellen möchten, vom Näherliegenden aber nicht unbedingt Ahnung haben, was noch lässlich, sie sich aber nicht zu selten auch nicht erwerben wollen, was wirklich unverzeihlich ist. Mir dagegen sei verziehen, wenn ich lieber über solche Einstellungen lache. Aber bevor wir uns nun zu mühsamer Grundsätzlichkeit hinreißen lassen: Um den Saumagen geht es hier. Und zunächst um seine Bestandteile: Aus der Sau machen wir zu Erklärungszwecken feines, mageres Schweinefleisch. Der größte Teil davon ganz fein zu Wurstbrät verarbeitet, der kleinere in Stücke geschnitten. Beides zusammen wird mit Kartoffelstücken vermengt und nicht zu knapp gewürzt. Der Magen freilich ist, was er ist. Aber er wird ja nicht mitgegessen, sondern bildet nur die äußere Hülle, die mit Fleisch, Brät und Kartoffeln gefüllt und dann gegart wird. Im Grunde handelt es sich als nur um eine sehr große, kräftige Wurst in der Naturhülle. Nichts Schlimmes, nichts Grobes, nichts Unansehnliches. Wer lacht hier noch?

Saumagen in ScheibenZugeben muss ich aber freilich: Besonders hübsch ist der Saumagen nicht, so lange er noch am Stück ist. Aber da das ja auch kein beabsichtigter Dauerzustand ist, ist das nicht so schlimm. Essen kann man ihn auf zwei verschiedene Arten: Die beeindruckendere ist sicherlich, ihn am Stück im Ofen zu backen und dann bei Tisch aufzuschneiden. Aber da selbst die kleinsten Saumägen an die drei Kilogramm auf die Waage bringen, und man daraus etwa 15 teils recht große Scheiben herausschneiden kann, ist das nur sinnvoll, wenn man viele und vor allem ziemlich hungrige Gäste hat. Die andere Variante ist dagegen denkbar simpel: Man schneidet den Saumagen vorab in Scheiben und brät ihn dann in der Pfanne. Vorteil: Der Rest lässt sich einfrieren und bei Gelegenheit wieder hervorzaubern. Nachteil: Keiner. Oder doch: Hat man Gäste, braucht man viele große Pfannen.

Frischer SaumagenDer Pfälzer trinkt zum Saumagen übrigens gerne Riesling und reicht dazu Kartoffelstampf, Weinkraut und eine nicht immer ganz definierbare, dunkle Bratensauce. Und während ich mich mit dem Riesling durchaus gut verstehe, bin ich Kartoffelstampf, Weinkraut und vor allem namenlosen dunklen Saucen nicht so wirklich zugeneigt. Mein Rezept behandelt daher ausschließlich den gebratenen Saumagen als solchen, macht für die Beilage aber einen etwas weniger regional verhafteten, sondern ganz leicht anderswo exotisierenden Alternativvorschlag: Pfälzer Saumagen an Tomaten-Kartoffel-Kümmel-Potpourri.

Was man braucht (für zwei Portionen):

  • Zwei Scheiben Saumagen. Die Magenhülle in Abständen von ein paar Zentimetern mit einem scharfen Messer einschneiden, da sie sich beim Braten zusammenzieht und sonst die ganze Scheibe aufwölben würde.
  • Butter

Das Rezept:
Butter in einer eisernen Pfanne erhitzen, bis sie bräunt. Die Saumagenscheiben von jeder Seite bei mittlerer Hitze 5-6 Minuten braten.

Was es dazu gab:
Tomaten-Kartoffel-Kümmel-PotpourriDas Tomaten-Kartoffel-Kümmel-Potpourri ist eigentlich keiner wirklichen Erwähnung wert, denn es handelt sich eher um eine Zubereitung als um ein echtes Rezept: Butterkartoffeln und Datteltomaten werden mit Kümmel, gehackter Petersilie, Majoran, Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle in Olivenöl eingelegt und dann bei 200 °C etwa 20 Minuten im Ofen gebacken. Und seien wir ehrlich: Je öfter man Saumagen isst, desto schneller wird man ohnehin den Alibi-Charakter jeglicher Beilage erkennen.

Der Wein dazu:
Riesling Dr. Bürklin-WolfAuch hier brauchen eigentlich keine weiteren Worte zu fallen. Riesling. Pfälzer Riesling. Trocken, mineralisch, saftig. Und da mein Saumagen aus Wachenheim stammte, und gerade nichts anderes greifbar war, tat es auch der Wein: Der einfache Gutsriesling von Dr. Bürklin-Wolf.

Praktisches:
Mir ist natürlich klar, dass das mit dem Saumagen gut und schön ist, wenn man eine Quelle hat, aus der man ihn frisch beziehen kann. Hier kommt übrigens wieder Helmut Kohl ins Spiel: Klaus Hambel in Wachenheim lieferte und liefert ihm den Saumagen, und bei Klaus Hambel kaufe auch ich ihn. Nicht ohne Grund: Nicht nur verdankt ihm die gastronomische Welt mehr oder weniger das Wiederentdecken und Wachküssen dieser großartigen Pfälzer Tradition, die Helmut Kohl dann überall bekannt machte, sondern er macht auch den besten Saumagen, den ich kenne. Und zwar in den wunderbarsten Variationen: In Herbst und Winter mit Pflaumen und Kastanien in der Füllung, und im Frühling auch mit Spargel. Und vor allem: Metzger Hambel verschickt den Saumagen – wer also eher selten an die Weinstraße kommt, kann ihn sich liefern lassen: In der Dose oder sogar gekühlt am Stück. Nur Mut!