Pasta für Angeber: Die Schinkentorte.

SchinkentorteMeist muss man sich ja entscheiden: Soll man aufwendig und ambitioniert kochen, damit die Gäste etwas zu staunen haben, sich dabei aber dem Risiko aussetzen, dass man den Großteil des Abends in der Küche verbringt, und dort schlimmstenfalls ein derartiges Chaos anrichtet, dass letztlich auch die Qualität des Essens darunter leidet, um dadurch leichtfertig in den Ruf zu geraten, nachgerade Überambitioniertes versucht zu haben? Oder soll man stattdessen das machen, was man immer macht, was man kann, von dem man weiß, dass die Gäste es mögen werden, das sicher gelingt, auch wenn man es einen Moment aus den Augen lässt, und das aber manchmal, leider, man muss es sagen, so wenig raffiniert aussieht, wie es in Wirklichkeit auch ist, so dass man auf dieser entgegengesetzten Seite aller Ambition und Anstrengung leicht den Anschein erleidet, man wolle sich für seine Gäste noch nicht einmal ein kleines bisschen anstrengen? Wie könnte also eine Lösung aussehen: Wie ein Essen idealerweise, das im Prinzip genau das ist, was es immer gibt, und in dem also kein Risiko steckt. Gleichzeitig aber wie eines, das überraschend und raffiniert wirkt, und das keiner der Gäste so schon einmal gesehen hat – ein gewisser Abnutzungseffekt des folgenden Rezepts sei dabei ignoriert. Wie ein Essen also, das auf den ersten Blick die größte Aufmerksamkeit weckt und alle Gäste rätseln lässt, was es denn wohl sei, sich dann aber, nach dem Anschneiden und Probieren, als simples, gutes, anständiges Lieblingsessen herausstellt. Geht nicht? Doch: In Form einer mit Nudeln gefüllten Schinkentorte.
Schinkentorte mit Pastafüllung
Das Prinzip der Schinkentorte könnte tatsächlich simpler nicht sein. Drei Dinge braucht man dafür: Seine bevorzugte Nudelsorte (es sollten allerdings nicht gerade die allerlängsten und allerdünnsten Nudeln sein). Dann: seine bevorzugte Sauce. Mit Fleisch, ohne Fleisch, mit Tomaten, mit Sahne, völlig egal. Und schließlich: Ausreichend luftgetrockneten Schinken. Nudeln und Sauce werden zubereitet, wie man es normalerweise macht – hier kann also nichts schiefgehen. Statt sie aber dann einfach so zu servieren, füllt man sie in Auflaufformen, die man vorher sorgfältig mit Schinkenscheiben ausgekleidet hat, und schiebt sie in den Ofen, wo der Schinken sich verfestigt und schließlich eine stabile Hülle um die Pasta bildet, so dass man das ganze Päckchen auf einen Teller stürzen und zum Staunen aller Gäste (auf den Teller stürzen, nicht mit dem Teller stürzen!) servieren kann, als hätte man das Soufflé neu erfunden, wo es doch nur Nudeln sind. Nur zwei kleine Dinge gilt es zu beachten: Einerseits wird man der Sauce ein wenig andere Konsistenz verleihen müssen, als dies normalerweise der Fall ist, da sonst der Inhalt der Torte nach dem Aufschneiden sofort auseinanderfällt. Bei klassischem Ragout bringt man einfach ein wenig Käse ein, in allen anderen Fällen kann sich das Unterheben von kleinen Mozzarellawürfeln und verquirltem Ei als äußerst hilfreich erweisen. Und andererseits sollte man mit dem Salz sparen, denn der Schinken bringt ja seinerseits schon eine Menge davon mit, was sich durch das Backen in der Regel auch noch verstärkt. Ach ja, und geeignete Formen braucht man natürlich, wenn jeder Gast sein eigenes Törtchen bekommen soll: Souffléformen aus Ofenporzellan tun es ebenso wie das, was man in England als Pudding Bowl bezeichnet, und worin natürlich kein kontinentaler Pudding zubereitet wird, sondern Fleischpasteten, die unserer Schinkentorte zumindest entfernt verwandt sind. Und ganz grundsätzlich schließlich empfehlen sich eher solche Saucen, die nicht ganz trocken sind, denn natürlich wird die Mischung beim Backen immer ein wenig Flüssigkeit verlieren.

Pudding Bowl
Was man braucht (für 2 Portionen):

  • 2 Portionen der bevorzugten Nudelsorte – bei mir sind es meist Tortiglioni, die sich gut und ohne Flecken essen lassen.
  • 2 Portionen der bevorzugten Nudelsauce. Hier war es eine herbstliche Mischung aus Entenleber in Marsala und angebratenem Butternut-Kürbis. Das Rezept dafür wird irgendwann auch noch in diesem Rahmen zu finden sein.
  • Etwa 150 g luftgetrockneter Schinken. Oder mehr, wenn man Schinkenfreund ist und sich nicht beherrschen kann. Hier war es nicht ganz erstklassiger italienischer Landschinken, der zwar billig, aber auch schon ein wenig zu sehr abgelagert war. Man merkt das meist am dezent ranzigen Geschmack des Fettrands. Und das ist nicht so schön. Teurer und frischer ist hier also in jedem Fall besser.
  • Binder. Zwei mit Parmesan verquirlte Eier waren es hier, da Kürbis und Entenleber nicht überdeckt werden sollten – andererseits ergab sich jedoch nur eine lockere Bindung. Mozzarellawürfel wären wunderbar, es geht aber auch jeder andere schnell schmelzende Käse. Oder Béchamelsauce, wenn man es üppig und aufwendig mag.

Das Rezept:
Den Backofen auf 180 °C (Ober- und Unterhitze) vorheizen. Sauce vorbereiten, Nudeln kochen. Die Auflaufformen so mit den Schinkenscheiben auslegen, dass man nach dem Befüllen mit den überlappenden Enden des Schinkens ein gut verschlossenes Päckchen machen kann. Sauce, Nudeln und den Binder gründlich vermengen, in die Formen füllen, Schinken zuklappen, leicht andrücken und mit Alufolie (oder den Deckeln der Formen, sofern vorhanden) abdecken. Auf der mittleren Schiene in den Ofen schieben und je nach Größe der Formen 20 bis 30 Minuten backen. Aus dem Ofen nehmen, auf Teller stürzen, ggf. mit Parmesan, Trüffeln oder sonstwie dekorieren und servieren.

Fazit:
Tatsächlich bekommt man mit der kleinen Schinkentorte mit Pastafüllung ein ziemlich raffiniert wirkendes Essen, das sogar als Pièce de Résistance taugt, wenn man bei den Zutaten der Füllung nicht allzu knauserig vorgeht und eine halbwegs anständige Dekoration zustande bringt. Gleichzeitig aber bekommt man jede Menge Zeit, um sich um seine Gäste kümmern zu können, was ja sowohl in puncto Unterhaltung als auch in Bezug auf die nachhaltige Vollständigkeit des Silberbestecks in jedem Fall sinnvoll ist. Und man bekommt vor allem die uneingeschränkte Bewunderung seiner Gäste, sich so etwas Raffiniertes, aber doch gleichzeitig so ungeheuer Bodenständiges und Gemütliches ausgedacht zu haben. Und seien wir ehrlich: Darum geht es doch. Unterhaltung und Prestige sind schließlich die beste Motivation, um sich regelmäßig Gäste ins Haus zu holen und sie dort nach Möglichkeit so unter den Tisch zu ziehen, dass sie noch lange davon schwärmen. Wenn dabei der eigene Aufwand auch noch so herrlich gering bleiben kann wie mit diesem netten Essen, dann ist das wirklich ganz fabelhaft.