Hochzeitsreisen? Reisehochzeiten!

ReisehochzeitWer gelegentlich zu Hochzeiten eingeladen ist – soll ich mich freuen, dass es mir glücklicherweise nicht allzu oft passiert? – kommt sicher auch irgendwann einmal dahin, für einen solchen Anlass einen etwas weiteren Weg auf sich nehmen zu müssen. Das kann zum einen daran liegen, dass man selbst einfach ganz woanders wohnt als das Brautpaar und die Mehrzahl der Gäste. Das wäre dann eine Lokal- oder allerhöchstens eine Regionalhochzeit. Oder daran, dass die Mehrzahl der Gäste an vielen unterschiedlichen Orten wohnt und somit einen mehr oder weniger langen Anreiseweg hat, der aber in der Regel mühelos und in einem knappen zeitlichen Rahmen zu absolvieren ist. Das wäre dann vermutlich eine überregionale Hochzeit – eingeschlossen in diesen Begriff seien alle Orte, von denen man am Tag danach mit nicht allzu heftigem Kater noch mit dem eigenen Wagen nach Hause fahren kann. Und dann ist da die dritte Kategorie: Die internationale Hochzeit. Die an Orten stattfindet, die sich nur mit einigem Aufwand (nicht im negativen Sinne übrigens!) und nicht wenig Zeit erreichen lassen. Zu der die Gäste aus der ganzen Welt kommen. Und die natürlich vorzugsweise an besonders hübschen und interessanten Orten stattfinden, an die alle Gäste gerne anreisen. Also eine Reisehochzeit.

Wohlverstanden: Natürlich soll es vor allem für das Brautpaar ein herrliches Fest sein. Vorbedingung dafür aber ist: Die Gäste müssen gerne kommen. Und sie müssen gute Laune haben. Was diese beiden Faktoren angeht, haben die Gastgeber meiner letzten Reisehochzeit alles richtig gemacht. Aber freilich: Was kann man bei solchen Dingen schon falsch machen, wenn man sich die Provence aussucht. Für die Feier ein herrliches kleines Landhaus, so abgeschieden, so ruhig, so privat, und doch so ausgesucht. Dazu das beste Essen, das man sich vorstellen kann, erstklassigen Wein, traumhaftes Wetter, und ausgesprochen nette Unterhaltung. Und am andern Tag eine Katerpizza, wie man sie so fett noch nicht gesehen hat.

mrgeef mit PanamahutDas eigentlich schöne an der Reisehochzeit ist aber, wenn man vom hauptsächlichen Anlass einmal absieht, tatsächlich die Möglichkeit, auch dort, wo man schon öfter gewesen ist, doch noch die eine oder andere interessante Ecke zu entdecken. Und sich ein Programm zusammenstellen zu müssen, das sich eben nicht an den touristischen Hotspots orientiert, sondern in der Regel nur Raum für kleinere Ausflüge lässt, oder vielleicht sogar nur geschickt gesetzte Unterbrechungen der Anreise. Für diese Reisehochzeit, die mir und meiner alten Mühle immerhin eine Wegstrecke von 2500 Kilometern in fünf Tagen bescherte, hieß dies: Eine Tagesreise bis Orange, wo das römische Theater ziemlich römisch und die Pizza ziemlich schlecht, die Übernachtung aber ziemlich gut war, Weinverkostung, Kellerführung und schließlich ein die Kapazitäten von Kofferraum und Weinkeller sprengender Einkauf auf Château La Nerthe in Châteuf-du-Pape (überflüssig zu erwähnen, dass es einer der besten Läden, mit Sicherheit aber der schönste am Ort ist), ein herrliches Mittagessen im Verger-des-Papes, direkt neben der Ruine des päpstlichen Schlosses, mit herrlichem Blick über die Rhône-Ebene, dann zwei wunderbar ruhige Nächte im Kloster von Saint-Maximin-la-Sainte-Baume (wo nebenbei auch der Beweis erbracht wurde, dass, wo man unter Steingewölben schläft, eine Klimaanlage auch im südfranzösischen Sommer nicht wirklich nötig ist) und schließlich ein recht ruhiger Abend im recht lauten Avignon. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, auf dem Rückweg an den Autobahnraststätten der Bresse tatsächlich Bressehühner kaufen zu können. Frische Bressehühner. Nie wieder werde ich über Leute lachen, die immer eine Kühltasche dabei haben – was hätte ich dafür gegeben, auch nur eines dieser kleinen Hühner (zu 2/3 des bei uns aufgerufenen Preises wohlgemerkt, wenn man sie überhaupt bekommt!) unbeschadet mit mir nehmen zu können!

Weinberg Chateauneuf du PapeFazit: Reisehochzeiten können eine großartige Sache sein, wenn man sich darauf einlassen möchte, nicht nur zur Trauung zu kommen und nach dem Fest sofort wieder Richtung Flughafen zu verschwinden. Und wenn man es schafft, aus der (freilich freudigen!) Verpflichtung ein Erlebnis zu machen, das sich eben nicht nur auf den einen Anlass reduziert, zu dem man eingeladen ist. Eure Hochzeit, mein lieber P, meine liebe M, war großartig. Aber fast noch mehr danke ich Euch dafür, dass ihr mir damit die Möglichkeit gegeben habt, mir ein derart dichtes und erlebnisreiches Rahmenprogramm organisieren zu müssen. Und schade, dass Ihr nicht gleich noch Mal heiratet!

p.s. Das seltsame Gefährt ganz oben hatte nichts mit dieser Hochzeit zu tun. Es kam mir nur ganz zufällig unter die Linse. Wirklich. Der arme Mann. Das arme Auto.