Gulasch à la Westphalie: Westfälischer Pfefferpotthast.

Westfälischer PfefferpotthastWenn man gastronomisch im unendlichen und unerschöpfbaren Universum der oberdeutschsprachigen (eigentlich: der bairischsprachigen – aber Franken gehört da unbedingt mit hinein: oh Bratwurst- und Silvanerland!) Welt aufgewachsen ist, in der es mehr oder weniger an jeder Ecke und in jedem Dorf mindestens eine halbwegs anständige Küche und einen mehr als gut gefüllten Bierkeller gibt, und wo der sonntägliche Frühschoppen eigens dazu erfunden wurde, die Bedeutung der Eucharistiefeier noch durch ein weltlich-gegenreformatorisches Element zu unterstreichen, dann hat man zweifellos schon eine ganze Weile in paradiesischen Umständen verbracht. Und vor allem: Man glaubt dann eigentlich kaum noch, dass auch außerhalb dieses Bereichs überhaupt regelmäßig anständiges Essen zu bekommen ist. Ein Vorurteil übrigens, das sich, zumindest, was mich betrifft, durchaus bestätigt hat. Gut gegessen wird in katholischen Gegenden. Und dort, wo es Wein gibt, keinesfalls aber auch nur ansatzweise nördlich des letztgenannten Kriteriums.Und dennoch: Manchmal, recht selten leider nur, landet man dann an Orten, an denen man mit großer Überraschung feststellt, dass man doch ein wenig zu vorsichtig war. Und dass da gelegentlich noch die eine oder andere interessante Sache auftaucht. In diesem Fall war es Münster (was mich in der Nachschau wenig überrascht: auch dort trug man lange genug blau und weiß und lebte wie im Paradeis…). Genauer: Das fabelhafte Restaurant Stuhlmacher am Prinzipalmarkt, wo mir die weißbeschürzten Kellnerinnen mit ruraler Herzlichkeit eines der interessantesten Gerichte auftrugen, das man bekommen kann, wenn man nicht so sehr für’s allzu Leichte zu haben ist: Den westfälischen Pfefferpotthast.

Frisches RindergulaschWer den Pfefferpotthast kennt, für den ist er vermutlich nichts besonderes: Eigentlich eine Art Gulasch, ziemlich lange mit ziemlich viel Pfeffer und Zwiebeln geschmort, bis sämtliche Zutaten kurz vor dem endgültigen Zerfall stehen. Für mich aber, der ich geschmortem Rindfleisch in Gulaschform bisher fast immer nur in der allzu oft allzu paprikalastigen k.u.k.-Version begegnet bin, und diese vor allem in kindlicherem Alter nicht immer gut vertragen habe, war dieses Gericht eine herrliche Entdeckung. Das Fleisch: scharf angebraten und stundenlang geschmort, dabei mit den herrlichsten Schmornoten auf der einen Seite, und der zartesten Konsistenz andererseits, die solches eigentlich nicht zu feines Fleisch nur je erreichen kann. Und die Sauce: Dick, aber nicht zäh, dabei würzig, aber nicht versalzen. Vor allem aber: Permanent präsente, feine Pfeffernoten, die, niemals scharf, niemals sich allzu sehr nach vorne drängend, dem ganzen Gericht nicht nur seinen Namen geben, sondern ihm auch eine geschmackliche Raffinesse verleihen, die man ihm in all seiner derben Rustikalität nicht zugetraut hätte.

Zwei ZwiebelnDa ich nun aber traurigerweise nicht regelmäßig nach Münster fahren kann, um dort den Pfefferpotthast zu essen – die Dortmunder und der ganze Rest der Westfalen mögen mir verzeihen, denn auch dort gibt es den Pfefferpotthast natürlich – musste ich mir selbst, so gut es geht, behelfen. Und experimentierte ein wenig mit dem, was ich geschmacklich von diesem Abend mitgenommen hatte, und anderem, das ein wenig Recherche ergab. Herausgekommen ist dabei meine persönliche Variante des westfälischen Pfefferpotthast, die ich wirklich und mit Nachdruck empfehlen kann. Nur mit dem, was die Westfalen üblicherweise dazu essen, hadere ich noch ein wenig.

Was man braucht (für zwei anständige, aber überraschenderweise nicht üppige Portionen):

  • 1 Pfund Rindergulasch. Frisch und nicht allzu mager, denn Schmorfleisch braucht ein wenig Fett.
  • 250 g Zwiebeln, halbwegs fein gehackt
  • Butter. Der Westfale nimmt wohl auch gerne Schweineschmalz zum Anbraten, aber das verträgt sich, finde ich, nicht so wirklich mit dem Rindfleisch. Als wollte man Wein mit Bier mischen….
  • eine Prise Mehl
  • ½ Flasche Altbier
  • 300 ml Rinderbrühe. Oder Rinderfond, wenn es stärker werden soll und man nicht sparen möchte.
  • Wenig Salz
  • Pfeffer. Sehr viel Pfeffer. Idealerweise eine Sorte, die nicht wirklich scharf ist, aber einen pointierten, pfeffrigen und nicht allzu rustikalen Geschmack hat, denn das Rezept lebt nicht zuletzt von der Präsenz feiner Pfeffernoten.
  • 3 Pimentkörner, 3 Wacholderbeere und 1 Lorbeerblatt – im Mörser zerkleinert.
  • 1 TL Kapern
  • ½ TL frisch abgeriebene Zitronenschale.

Das Rezept:
Backofen (Ober- und Unterhitze bei 180 °C) vorheizen. Butter in einem großen Schmortopf erhitzen und die Zwiebeln darin andünsten, bis sie anfangen, leicht zu bräunen. In der Zwischenzeit in einer separaten Eisenpfanne das Fleisch in mehreren Portionen mit Butter sehr scharf anbraten und zu den Zwiebeln geben. Behutsam mit Salz und Pfeffer würzen, das Mehl anstäuben, gut durchmischen und mit dem Bier ablöschen. Reduzieren. Brühe und/oder Fond angießen, die restlichen Gewürze einlegen, abdecken und 2 Stunden im Backofen schmoren. Eine halbe Stunde vor Zeitablauf den Deckel abnehmen und ggf. noch Brühe nachgießen. Den Topf aus dem Ofen nehmen und Kapern und Zitronenschale einrühren sowie reichlich (reichlich!) Pfeffer nachlegen. Servieren.

Was es dazu gab:
Pfefferpotthast mit QuittenDer Westfale isst den Pfefferpotthast ja wohl normalerweise mit kalter Roter Beete und noch kälterer Gewürzgurke. Und obwohl das durchaus einigermaßen fotogen ist, muss ich leider sagen, dass ich es absolut grausam finde: Warum sollte man denn, wenn man von allen geschmacklichen Aspekten einmal absieht, ein so herrliches, heißes Herbst- und Winteressen mit so kalten Beilagen ruinieren? Solch kaltem, totem Fisch ähnelndem Glitsch? Solch geschmacklichem Feinripp? Gut also, dass mir zufällig ein paar Quitten in die Hände gefallen waren, die bereits einen ziemlich ausgeprägt schapsigen Duft verströmten: Ohne alle Würze wurden die geviertelten Quitten einfach eine halbe Stunde lang neben dem Schmortopf in den Ofen gesetzt, waren danach wunderbar gebacken und machten sich ganz hervorragend zu den intensiven Pfeffer- und Schmorfleischnoten, die den Pfefferpotthast so interessant machen.

Der Wein dazu:
Château CasteraIch war mir, das gebe ich gerne zu, lange Zeit ziemlich unsicher, was ich denn zum Pfefferpotthast nun wirklich trinken sollte. Und erinnerte mich dabei an eine einfache Regel: Wann immer man sich wirklich gar nicht zu helfen weiß, kann man entweder ein Bier nehmen – oder den besten Bordeaux, der im Keller zu finden ist. Und letzteres setzt natürlich voraus, dass man sich einerseits einen kleinen Weinkeller unterhält, und andererseits, dass man sich auch ein wenig um ihn kümmert. Also regelmäßig kauft, ausreichend lange lagert und vor allem trinkt, was getrunken werden muss. Und keinesfalls mehr. Getrunken werden musste in diesem Fall die vorletzte Flasche eines 2009er (großartiger Jahrgang im Bordeaux übrigens!) Château Castera, der aus dem einfachen Médoc nördlich von Saint-Estèphe stammt und als simpler Cru Bourgeois mit ein wenig Reife ziemlich viel zu bieten hat, das man weiter südlich nur für deutlich mehr Geld und oft noch längere Wartezeit bekommt. Und: der zu relativ vernünftigen Preisen und halbwegs reif auch bei uns nicht schwer zu bekommen ist. Bordeaux überdies, weil man den in ganz Europa auch im 17. Jahrhundert schon gerne trank, und ich mir gerne vorstelle, dass er auch in Münster und Osnabrück in den 1640ern den einen oder anderen Pfefferpotthast in den Wirtshäusern, in denen vielleicht die nach Rang und Reichtum nicht ganz so erstklassigen Gesandten wohnten, begleitet haben mag. Und sollte diese Vorstellung letztlich doch nur Humbug sein, dann würde seriöser Bordeaux aus dem Médoc (ausgenommen die ganz feinen und raffinierten Ecken, namentlich Margaux) doch immer noch hervorragend zum geschmorten Rindfleisch passen.