Kein richtiges Eis. Aber auch nicht einfach nur eisgekühlter und gesüßter Saft. Durchzogen von feinen Eiskristallen. Aber dennoch einigermaßen flüssig. Schwer und süß. Üppig. Und dennoch herrlich erfrischend. Zuerst kann man es löffeln, und irgendwann muss man es trinken. Und wenn es tropft, dann ist es ziemlich klebrig. Was mag das sein? Granita natürlich!
Gesehen hat man es natürlich schon einmal: In den Ferien, irgendwo in Italien, als man sich wunderte, was das denn für eine seltsame, zähe, bunte Masse war, die in großen Plastikbehältern von einer Rührschnecke im Kreis bewegt wurde. Und die zu probieren man sich doch nie traute, denn erstens wusste man ja gar nicht, und dann wurde das Zeug auch noch aus diesen Plastikkanistern in kleine Pappbecher gefüllt und mit einem Plastiklöffel versehen. Bah. Dann doch lieber das Eis, wie man es kennt. Aber: Welch wunderbare Sache hätte man kennenlernen können! Und natürlich wäre Granita durchaus in etwas würdevolleren Darreichungsformen zu haben. Denn es ist ja nicht so, dass man Granita nur erfunden hätte, um den armen Touristen mit irgendwelchem bunten Schnickschnack das Geld aus der Tasche zu ziehen. Tatsächlich kennt und schätzt man sie in Sizilien seit Jahrhunderten – schwere, süße Eisgetränke nennt sie im Leoparden der Fürst von Salina, und geht gar so weit, sie als symptomatisch für der Sizilianer Sehnsucht nach wollüstiger Unbeweglichkeit anzusehen…
Freilich: so weit würde ich nicht unbedingt gehen. Wahr ist aber: Der Gegensatz von erfrischender Kälte und schwerer, betäubender Süße macht Granita an Tagen, an denen es enorm heiß ist, zum wunderbarsten Ersatz für schweres Gebäck. Angenehm erfrischt fühlt man sich nach einem Glas Granita, aber doch glücklicherweise nicht munter genug, um in Bewegung zu kommen. Schwer und zufrieden fühlt man sich, ohne aber gleich mitsamt dem Stuhl nach hinten überzukippen. Endlos könnte man so sitzen bleiben, vor sich hindösend, die Nase voll des dichten, schamlosen Geruchs überreifer Rosen, umrahmt von den Duftwellen der ersten Orangenblüten aus der angrenzenden Plantage….
Bevor wir es aber übertreiben: Selbstverständlich ist Granita mehr als nur ein Eisgetränk am Nachmittag. Bei mir kommt es meist als Dessert zu größeren sommerlichen Abendessen auf den Tisch – meist dann, wenn es zu warm ist, um an irgendein Gebäck nur denken zu können, und wenn sich für Käse ohnehin niemand mehr interessiert. Oder tatsächlich anstelle von Kuchen oder Obst am Nachmittag. Zuzubereiten ist es ziemlich einfach – für meine Standardvariante braucht man wenig mehr als Orangensaft und Zucker. Und natürlich eine Eismaschine.
Die Eismaschine
Eismaschinen sind heute meist elektrisch und kompressorbetrieben, so dass man in kuzer Zeit eine Menge verschiedener Sorten Eis, Sorbet und eben auch Granita damit herstellen kann. Es ist allerdings noch gar nicht so lange her, dass eine andere Methode ziemlich weit verbreitet war, für die man ein ziemlich kurioses Instrument benötigte: Den Donvier Eiscrembereiter. Dieses eigenartige Gerät stammt ursprünglich aus Kanada und war in den 80ern auch bei uns allenthalben zu haben. Seine Funktion ist einigermaßen simpel: Eine mit einer Kühlflüssigkeit gefüllte, doppelwandige Aluminiumtrommel wird tiefgefroren und gibt die gespeicherte Kälte (nun ja, wir wissen alle, dass man Kälte nicht speichern kann, aber was soll’s!) dann an die Eiszubereitung ab. Gleichzeit bewegt man mit einer manuellen Kurbel ein Rührblatt im Inneren des Behälters, um zu verhindern, dass die Eismasse zu einem festen Block gefriert. Handgemachtes Eis also!
Übrigens habe ich mir sagen lassen, dass man solche kleinen Eismaschinen für sehr wenig Geld immer noch gelegentlich bei einschlägigen Discountern erstehen kann – dann aber nicht mehr mit Handkurbel, sondern mit einer kleinen, elektrischen Rührmaschine. Und natürlich ganz sicher nicht mit der herrlich zu lesenden Beilage meiner kleinen Kurbelkiste: Den Vertrieb in Europa übernahm für Donvier damals eine Firma aus Italien, und entsprechend wurden die Texte der deutschen Betriebsanleitung Satz für Satz und Wort für Wort, lustigerweise aber auch Aussage für Aussage (so macht man das, wenn man vom Übersetzen nicht allzu viel versteht: Wort für Wort geht in der Regel schief, aber das ist eigentlich wieder eine ganz andere Geschichte….) aus dem Italienischen übersetzt. Und was sich im Italienischen ganz normal liest, wirkt im Deutschen (denn natürlich übertreibt der Italiener gerne, was wir ihm selbstverständlich niemals übelnehmen wollen!) zumindest nicht ganz so ernst gemeint: Mit der kleinen Eismaschine nämlich sei die Zukunft bereits Gegenwart geworden, denn schließlich handle es sich um in Prachtstück modernster Technologie, vollkommen ohne unnötige elektrische Verwicklungen, und vor allem sei die Aluminiumtrommel überhaupt nicht giftig (alles sic!)!
Nachteil der Geschichte ist allerdings, dass man maximal alle drei Tage eine kleine Portion Eis bereiten kann, denn natürlich dauert es immer ein wenig, bis der Eisbehälter wieder eingefroren ist. Mir allerdings ist alle drei Tage selbstgemachtes Eis genug, und da ich ohnehin immer gerne das Handbetriebene und Mechanische vorziehe, erinnert mich das Kurbeln immer an die Ursprünge der modernen Eisherstellung: Man sitzt vor dem Gerät und kurbelt wie Fitzcarraldo an seiner Eismaschine, mit deren Hilfe er genug Geld verdienen wollte, um am Amazonas sein Opernhaus zu bauen. Wobei seine Eismaschine natürlich noch mit Salz funktionierte. Aber freilich: Wer Kinder hat oder regelmäßig eine größere Schar Gäste, der wird mit einer richtigen Eismaschine besser zurechtkommen. Sogar dann, wenn es zu elektrischen Verwicklungen kommt.
Was man braucht (mein Standard-Hausrezept – überhaupt nicht giftig!):
- 300 ml Orangensaft
- ein paar Tropfen Zitronensaft
- ein paar Tropfen Rum (aber nur, wenn man möchte!)
- 50 ml Kokossirup
- 100 g weißen Zucker
- ggf. Wasser zum Auffüllen.
Wie es geht:
Alle Zutaten in einen Rührbecher füllen und gut miteinander vermischen. Den Rum sehr vorsichtig dosieren, denn es geht ja nur um die Idee einer Geschmacksnote, und natürlich wirkt der Alkohol wie ein Frostschutzmittel: Zuviel davon verhindert die Bildung von Eiskristallen, so dass man allenfalls einen sehr kalten Cocktail zustande bringt. Was natürlich besonders schade ist, wenn man mit so einer kleinen Maschine arbeitet wie ich und nur alle drei Tage Eis herstellen kann. Den Eisbehälter aus dem Gefrierschrank nehmen, die Zubereitung einfüllen, 10 Minuten lang immer mal wieder an der Kurbel drehen und servieren, wenn die Granita die gewünschte Konsistenz erreicht hat.
Praktisches:
Glasbecher, in denen man die Granita serviert, sehen natürlich immer besonders gut aus, wenn man sie vorab im Gefrierschrank einkühlt. Und natürlich wird die Granita nach dem Servieren länger in einem unterflüssigen Zustand gehalten. Und so lange dieser Zustand anhält, so lange bleibt die Zukunft Gegenwart.