Fasane gehören ja eher zu den seltenen Vögeln. Zumindest dann, wenn man in einigermaßen urbanem Umfeld lebt, statt endlose Weiden und Waldränder direkt hinter dem Haus zu haben. Und vor allem, wenn man sie sich – mangels Jagdschein, Flinte und Revier – auch nicht selbst vom Feld über die Küche auf den Tisch bringen kann. Aber immerhin: Man kann sie ja noch selbst zubereiten. Sofern? Ja, sofern man natürlich ein Exemplar fängt, das sich nicht nur als mindestens essbar erweist, sondern auch noch dem Ruf gerecht wird, den der Fasan mit anderem Wildgeflügel im Besonderen, mit Wild aber ganz grundsätzlich und im Allgemeinen teilt: Feines, herrlich mürbes Fleisch, ein eher herber, kräftiger Geschmack, und natürlich eine wunderbare Basis für die schwersten Saucen, die kräftigsten Beilagen und die reifsten Weine. Wobei wir hier natürlich nicht ganz so weit gehen wollen. Und stattdessen einen harmlosen, eher simplen Fasan auf den Tisch bringen. Mit Kastanien. Und mit Steinpilzrahm. So schön.
Tatsächlich ist Fasan natürlich nicht gleich Fasan. Entscheidend ist vor allem, woher der Vogel stammt. Kennt man keinen Jäger oder hat keinen Wildhändler, dem man trauen kann, dann fängt man die Vögel in der Regel in der Vorweihnachtszeit in den Tiefkühltruhen jener unheimlich großen Supermärkte auf freiem Felde, die zwar alles bieten, dafür aber nicht immer alles ganz so frisch. Die dort zu fangenden Fasane stammen meist aus echter Jagd in anderen Ländern und kosten nicht viel – und gar nicht selten bekommt man sogar noch gratis eine ganze Ladung Bleischrot mit dazu. Was jedoch auf den ersten Blick vor allem in Bezug auf die Unversehrtheit des eigenen Gebisses bedenklich scheint, kann bei genauerer Betrachtung auch andere Folgen zeitigen – unter anderem geschmacklich: Je mehr davon, je weniger unbedenklich das Metall, und je länger die Verweildauer im Vogel, desto höher auch die Wahrscheinlichkeit, dass das ganze Vieh einen nicht ganz dezenten, metallischen Geschmack annimmt. Und Chlorhühnchen sind ja eine Sache – aber bei Bleifasenen hört es wirklich auf. Daher gilt hier fast noch mehr als sonstwo: Finger weg von Tiefkühlware. Finger weg von Vögeln zweifelhafter Herkunft. Und vor allem: Finger weg von Angeboten, die zu gut sind, um wahr sein zu können. Denn sie sind es nicht.
Im vorliegenden Fall allerdings hatte ich mit dem Fasan ganz unerwartetes Glück: Gefangen dort, wo man immer alles in anständiger Qualität bekommt, dafür aber ein wenig mehr bezahlen muss. Aus einer französischen Fasanerie. Und daher, wie es bei unseren Nachbarn, denen der Nachweis guter Qualität wichtiger ist als das Risiko, sich vielleicht vor einem toten Vogel im Schaufenster ängstigen zu müssen, noch komplett mit Kopf und manchen anderen Anbauteilen – damit auch wirklich und überzeugend nachgewiesen sei: Dies ist ein Fasan. Er ist echt. Man kann ihn essen. Und man wird es nicht bereuen. Und zwar erst recht, wenn man ihn halbwegs anständig zubereitet. So wie diesen hier: meinen Fasan in Steinpilzrahm an glasierten Maronen.
Was man braucht (für 4 Portionen):
- 1 Fasan, zerlegt in vier Teile
- 1 große Zwiebel, gehackt
- 1 Glas Marsala
- 400 ml Geflügelfond. Fasanenfond hat man meist nur dann, wenn man ihn selbst herstellt. Und das dürfte nicht so häufig der Fall sein. Normaler Hühnerfond tut es daher auch.
- Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle
- Mehl
- 200 ml Schlagsahne
- 1 EL Steinpilzbruch. Oder eine Handvoll frischer Steinpilze. Finger weg von Tiefkühlware. Bei der Verwendung von frischen Pilzen: In Stücke schneiden, etwa 20 Minuten in Butter dünsten und mit einer Gabel zu Mus zerdrücken. Das kann man wunderbar vorab machen.
- Falls man für Dekoration zu haben ist: 3 bis 4 frische Steinpilze, in dünne Scheiben geschnitten.
- Petersilie, gehackt
- Butter
- 600 g Maronen (der Einfachheit halber fertig gegart und geschält – man kann auch rohe nehmen, braucht dann aber ein wenig mehr. Und man sollte etwas mehr feinmotorische Geduld aufbringen, als ich es vermag.)
- 50 ml Madeira
- 1 TL Zucker
Das Rezept:
Butter in einem gusseisernen Bräter erhitzen und die Keulen von beiden Seiten scharf anbraten. Hitze reduzieren, Zwiebeln zugeben und 5 Minuten dünsten. Mehl anstäuben, in zwei Schritten mit Marsala ablöschen und reduzieren, dann den Fond angießen, abdecken und 20 Minuten auf kleiner Flamme garen. In der Zwischenzeit Butter in einer Pfanne erhitzen, die Brüste beidseitig kurz anbraten, zu den Keulen geben, wieder abdecken und weitere 10 Minuten garen.
In der Zwischenzeit Butter in einem Topf erhitzen, ein wenig Salz und Zucker zugeben und die Kastanien darin unter Schwenken glasieren, bis sie regelmäßig mit der karamellisierten Salz-Zucker-Mischung überzogen sind. Deckel abnehmen, den Madeira zugießen und langsam reduzieren. Falls gewünscht, die Dekorationssteinpilze in einer Pfanne in wenig Butter und leicht gesalzen etwa 10 Minuten dünsten.
Nach Ende der Garzeit die Fasanenstücke aus dem Bräter nehmen, den Sud durch ein Sieb in einen Topf gießen und wieder auf den Herd stellen. Die Fasananstücke zurück in den Bräter geben – die im Gusseisen gespeicherte Hitze hält das Fleisch nun eine Weile warm. Den Sud erhitzen, die Sahne zugeben und den Steinpilzbruch einrühren. Aufkochen und so weit reduzieren, bis eine anständige Sauce entsteht. Petersilie unterrühren, die Kastanien und die Vogelteile auf Tellern anrichten, ggf. die Steinpilzscheiben dazu dekorieren. Die Sauce über den Fasan gießen und servieren.
Der Wein dazu:
Der Fasan ist, obwohl er gar nicht wirklich so aussieht, durchaus schwer und üppig. Die Kastanien machen ihn nicht leichter. Und die schwere Sahnesauce erst recht nicht – stattdessen verleiht sie dem Vogel eine samtige, schwere Fülle. Und genau in diese Richtung sollte sich auch der Wein bewegen: Voll, samtig, dabei aber nicht zu wuchtig, mit durchaus vorhandener Frucht, gleichzeitig aber auch mit genügend – idealerweise im Eichenfass erworbenem – Gewicht, um schwerer und rustikaler zu sein, als es auf den ersten Blick scheint, aber dennoch elaboriert und vielschichtig genug, um immer noch als elegant durchzugehen. Allerdings: Mit derart diffus formulierten Anforderungen kommt man in der Regel nicht besonders weit. Funktionierendes requirement engineering sieht in der Tat anders aus. Aber da Sonntag war, und deshalb getrunken werden musste, was der Keller hergab, konnte es nur eine Flasche sein, die ich mir noch am am wenigsten nicht dazu vorstellen konnte. Und landete beim ziemlich bekannten, allenthalben erhältlichen und dennoch ziemlich fabelhaften (wenn man mit Spanien etwas anfangen kann) Dehesa La Granja aus Kastilien und León – und damit einen Volltreffer. Nicht nur nämlich, dass sich ganz überraschend all meine geschmacklich Erwartungen an einen halbwegs passenden Wein zu diesem Fasan erfüllten, nein, das Zeug kommt auch noch, was man in Spanien gerne macht, sonst aber kaum irgendwo, vollkommen durchgereift in den Handel. Bedeutet: Tempranillo durch und durch. Zwei Jahre Fasslager. Und dann noch einige Jahre Flaschenlager, bis er wirklich in den Verkauf geht, was dazu führt, dass (bei meinem Weinhändler wohlgemerkt!) 2007 der aktuelle Jahrgang ist. Und auch, wenn ich die Spanier ganz pauschal und persönlich weniger schätze als manche Ecken aus Deutschland, Frankreich und Italien, muss ich doch sagen: Wer sich keinen Keller unterhalten, aber trotzdem reifen, anständigen Rotwein trinken möchte, der kann alles andere vergessen. In Spanien muss er suchen. Und stöbert dabei ja vielleicht auch noch den einen oder anderen Fasan auf.