Fish & Chips. À la continentale.

Fish and ChipsFish and Chips sind ja eigentlich ein ziemlich grausames Essen: Da nimmt man grundsätzlich solchen Fisch, der nicht gerade zum allerbesten gehört, zieht ihn durch klebrigen Bierteig und wirft ihn für ein paar Minuten ins siedende Öl. Auf dem Teller landen dann vor allem Mehl- und Fettaromen. Und nicht besser die Chips: In dicke Stäbe geschnittene Kartoffeln, die ebenfalls im siedenden Öl versenkt, dort aber nicht knusprig ausgebacken werden, sondern eine blasse, ungebräunte Oberfläche und eine eher weiche Konsistenz behalten – und ebenfalls vor allem Fettaromen auf den Teller bringen. Und ist das nicht grässlich? Ist es tatsächlich nicht, sofern man ein paar Modifikationen vornimmt, die im vorliegenden Fall allerdings zu einer gewissen Kontinentalisierung von Fish and Chips führen. Aber das ist ja letztlich wie mit den Straßenseiten: Die machen’s falsch, und hier auf dem Kontinent macht man’s richtig.

Gebackene DillkartoffelnAber wohlverstanden: Keineswegs soll hier der Fast-Food-Wert echter, als Imbiss verkaufter Fish and Chips geschmälert werden. Denn manchmal, wenn es sein muss, esse ich die auch durchaus nicht ungern. Speziell, wenn man einfach Fett braucht. Und wer sich gelegentlich nicht vor körperlicher Arbeit bei niedrigen Temperaturen und feuchtem Wetter drücken kann, dem dürfte das bekannt vorkommen. Hier allerdings geht es eher darum, Fish and Chips zu einem kleinen, verträglichen und unkomplizierten Essen auszubauen, das man durchaus auch Gästen servieren kann, ohne sich dafür schief ansehen lassen zu müssen. Und zu einem vor allem, das nicht ausschließlich von Fettaromatik lebt, sondern auch noch ein paar maritime Salznoten schmecken lässt. Erster Schritt: Der Bierteig wird durch eine normale Panade mit Ei und Semmelbröseln ersetzt, die ebenso schön bräunt wie das mit Bier und Eigelb vermengte Mehl des Bierteigs, aber nicht so viel Fett zieht und auch noch nicht einmal ansatzweise nach verbranntem Mehl schmeckt. Zweiter Schritt: Das Frittieren im siedenden Öl wird durch normales Braten in einer ordentlichen Menge heißer Butter ersetzt – auch das kommt abermals ganz erheblich dem Geschmack zu Gute, indem es alle möglichen Noten von angeranztem Pflanzenöl verhindert. Und der dritte Schritt: Die weich und fettig frittierten Chips werden durch fein gewürzte und eher mager mit Olivenöl im Ofen gebackene Kartoffelstücke ersetzt: Mit Dill, Fleur de Sel und frisch gemahlenem Pfeffer schafft man es auf diese Weise, sogar so groben Sachen wie simplen Kartoffeln noch einen durchaus nicht unzivilisierten Geschmack mitzugeben.

SalicornesPanierter Fisch und gebackene Kartoffeln wären nun zusammen eigentlich schon genug, aber irgendwie fehlte mir noch diese spezielle, maritime Note, die ich mir eigentlich vorgestellt hatte. Eigens dafür wurden hier zusätzlich noch Queller verwendet wurden, deren französische Bezeichnung Salicornes schon erahnen lässt, worum es geht: Meersalz. Bei den Quellern handelt es sich um ein kleines, spargelartiges Strandgemüse mit ausgeprägter Salznote, die zwar verdammt schwer zu bekommen und dann auch noch nachgerade enorm teuer sind, aber da man nicht allzu viel davon braucht, um geschmacklich etwas auszurichten, ist zumindest der Kostenfaktor nicht allzu schlimm. Auch machen kann damit eine Menge – anstatt sie aber zu Sauce oder Creme zu verarbeiten, wurden sie hier einfach nur kurz blanchiert und zu Fisch und Kartoffeln gepackt. Denn  schließlich sehen sie auch noch ziemlich interessant aus. Uns das kann man von Gemüse ja nicht grundsätzlich behaupten.

Was man braucht (für 2 Portionen):

  • 2 Stück Fischfilet à 100 g. Die meisten weißen Fischsorten sind tadellos geeignet, also etwa Kabeljau oder Seelachs. Hier war es ein noch von einem anderen Essen übriggebliebenes Stück Skrei, das einer Resteverwertung unterzogen wurde.
  • 1 Ei
  • Semmelbrösel
  • Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle
  • Ordentlich Butter
  • 1 Bund frisch gehackter Dill
  • ein wenig Mehl

Für die Beilage (ebenfalls für 2 Portionen):

  • 1-2 Kartoffeln, geschält und gewaschen
  • Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle
  • 1 Bund frisch gehackter Dill
  • Ordentlich Olivenöl
  • 100 g Salicornes (Queller)

Das Rezept:
Kartoffeln in dicke Stifte schneiden und in einer Schüssel mit Salz, Pfeffer, Dill und dem Öl vermengen. Ca. 30 Minuten durchziehen lassen. Auf einem Backblech verteilen und bei 180 °C etwa 25 Minuten auf der mittleren oder oberen Schiene im Ofen backen (eine Kombination von Unterhitze und Umluft ist ideal). Die Kartoffeln sollen allenfalls minimal bräunen.

In der Zwischenzeit das Ei mit Salz, Pfeffer und Dill verrühren. Die Haut von den Fischfilets ablösen und entsorgen. Die Fischfilets bemehlen, durch die Eiermischung ziehen, in den Semmelbröseln panieren und 5 Minuten ruhen lassen. Butter in einer Pfanne erhitzen und den Fisch bei mittlerer Hitze von beiden Seiten 5 Minuten goldbraun braten.

Die Queller waschen und etwa 5 Minuten blanchieren. Abgießen und zu Fisch und Kartofeln anrichten. Alternativ kann man die Queller auch vorab pürieren und mit ein wenig saurer Sahne als Sauce servieren oder sie in frische Mayonnaise einrühren.

Was dazu getrunken wurde:
Bishops Finger Kentish Strong AleBitte warm und ohne Schaum. Das ist englisches Bier. So weit das Vorurteil. Und so weit auch die Realität. Wobei ich sagen muss: Das hat durchaus seinen Reiz. Denn auch, wenn aus 1516er-Perspektive der Engländer vom Bierbrauen keine Ahnung hat (aber immerhin noch mehr als mancher andere…), verhält es sich in der Realität doch ein wenig anders. Hier wurde Bishops Finger Kentish Strong Ale von Sheperd Neame serviert, ein altgoldbraunes, recht kräftiges Ale von erstaunlich komplexem Geschmack und nicht uninteressanten kandierten Noten. Die man übrigens nur dann wahrnehmen kann, wenn das Zeug nicht eisgekühlt ist und auch nicht gerade vor Kohlensäure übersprudelt, so dass eine gewisse Schalheit durchaus ihren Sinn hat. Eine entfernte geschmackliche Ähnlichkeit zu den Weihnachts- und Winterbieren mancher bayerischer und fränkischer Brauereien kam mir dabei übrigens auch in den Sinn. Gleichwohl: Da wir schon den Fisch und die Kartoffeln kontinentalisiert hatten, durfte es wenigstens beim Bier etwas Echtes sein. Oder wie Karl II. zu Katharina von Braganza sagte: We don’t drink tea in England. But maybe some ale will do.