Ich würde mir selbstverständlich niemals bei meinem Metzger die Haare schneiden lassen. Schon allein der verwendeten Werkzeuge wegen! Aber andersherum? Also: zum Friseur gehen, um Fleisch zu bekommen? Zugegeben: Das klingt eigentlich nicht weniger abstrus. Ein wenig zivilisierter wird diese Idee womöglich, wenn man weiß, dass die beiden Herren, die mir regelmäßig die anständigste aller denkbaren Frisuren verpassen, Jäger sind. Der eine schon länger, der andere neuerdings auch. Vollends klar wird die Sache nun, wenn man weiß, dass man als Jäger Wild erlegt. Und dass der Jäger dieses Wild selbstverständlich so umfassend verwertet, wie man das nur irgend tun kann. Allein dem erlegten Tier ist er das schon schuldig – nichts ist schließlich schlimmer, als so ein Tier allein zum Spaß zu erschießen. Aber um es zu essen? Keine Frage. Und hier schweige natürlich jeder still, dem abgepacktes Fleisch in all seiner portionierten Abstraktheit die humanere Variante scheint. Nachdem sich also die Wege eines Wildschweins und einer Kugel gekreuzt hatten, kam dabei heraus, was dabei herauskommen musste: Eine Wildschweinbratwurst. Und noch dazu die beste, die sich denken lässt.
Zur Wildschweinbratwurst muss natürlich bemerkt werden: Sie ist sicher ein Spezialfall. Und vielleicht mag die Begeisterung, die ich ihr entgegenbringe, zu einem guten Teil damit erklärt werden können, dass ich ohnehin ein großer Freund der Bratwurst bin. Der anständig gemachten Bratwurst wohl gemerkt! Der frisch gemachten, nicht zu fetten, nicht zu wässrigen, gut gewürzten. Der Sorte, die man eigentlich ausschließlich frisch beim Metzger bekommt. Die es nicht im Kühlregal gibt. Und die nicht schon vorgebrüht verkauft wird, um nur möglichst lange haltbar zu sein. Nein, der simplen, klassischen, traditionellen Bratwurst, die am gleichen Tag gegessen wird, an dem sie auch gemacht wurde. Und über deren Wertschätzung sich der Metzger selbstverständlich, da ja doch eine ganze Menge Arbeit in ihr steckt, immer ganz besonders freut.
Und sicher ist die Wildschweinbratwurst auch deshalb ein Spezialfall, weil man sie im normalen Handel kaum bekommt. Ja, sicher, normales Wild hat auch der Metzger in Herbst und Winter. Und Marktstände, an denen man einen Rehrücken oder eine Hirschkeule bestellen kann, gibt es sicher zuhauf. Aber Wildschweinbratwürste sieht man doch, so scheint es mir, eher selten. Sie stehen daher als Paradebeispiel dafür, an wen man sich wenden sollte, wenn man anständiges Wild haben möchte: An einen Jäger natürlich! Wenn man schon selbst vielleicht nicht geneigt ist, ebenfalls einer zu werden. Oder zwar gerne würde, aber keine Zeit hat. Denn wo sonst sollte man sonst das beste und frischeste Wildbret herbekommen? Und wo sonst könnte man sich immer sicher sein, dass alle zur Herkunft gemachten Angaben auch wirklich richtig sind? Aus welchem Wald die Sau also stammt, wann sie erlegt wurde, und wer vielleicht noch mit dabei war? Und vor allem, dass es sich (aber das trifft natürlich nur auf das kleinere Wild zu) bei der im Essen gelegentlich anzufindenden Schrotkugel wirklich um eine solche handelt. Und nicht etwa um ein Stück Scheinwerferglas.
Was man braucht
Das ist diesmal ziemlich banal: Man braucht natürlich Bratwürste. Ich bevorzuge die etwas dickere Variante. Ordentlich gewürzt, im Naturdarm, und vor allem frisch und nicht vorgebrüht.
Wie es gemacht wird
Auch hier könnte man einen gewissen Mangel an Raffinesse feststellen, wüsste man nicht, dass es nur um eine Bratwurst geht. Egal übrigens, ob Wildschwein oder nicht: Zubereitet wird sie immer gleich: Eine eiserne Bratpfanne mit ein wenig Butter oder Bratöl auf mittlerer Hitze gut durchheizen und die Würste von jeder Seite 10 Minuten braten. Und da Bratwürste gelegentlich dazu neigen, in der Pfanne aufzuplatzen: Jede Wurst vor dem Braten runderherum mehrfach mit einer Nadel anstechen. Und dies auch in der Pfanne tun, wenn sich verdächtige Blasen an der Oberfläche bilden. Denn natürlich ist nichts weniger erfreulich als eine geplatzte Bratwurst. Und wenn sie besonders dick sind, kann man sie natürlich vorbrühen. Aber ganz ehrlich: Dann braucht man keine frischen zu kaufen.
Was es dazu gab
Süßkartoffeln aus dem Ofen. Das Rezept gab es an anderer Stelle schon einmal, daher muss es hier nicht im Detail wiederholt werden. Ein paar kleinere Anpassungen schienen mir allerdings sinnvoll, um die Süßkartoffeln auf die Wildschweinbratwurst abzustimmen. Also keine Garriguearomen wie zur Ente, sondern Salbei, Fenchel (nicht zu knapp), ein wenig Majoran, ein wenig Cayennepfeffer und natürlich Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle, die mit Olivenöl vermengt werden. Dann die Süßkartoffel in Stücke geschnitten, mit der Gewürzmarinade einige Minuten eingelegt und im auf 200 °C vorgeheizten Backofen etwa 20 Minuten auf mittlerer Schiene mit einer Mischung aus Grill und Umluft gegart. Grundsätzlich kann man es bei der Zusammenstellung der Gewürze übrigens halten, wie man möchte – da mir aber schon in der rohen Wurst ordentlich Fenchel zu sein schien, lag darauf auch bei den Süßkartoffeln der Akzent.
Der Wein dazu
Manchmal wird man ja enttäuscht. So in diesem Fall. Zur Wildschweinbratwurst und den ausgesprochen fenchellastigen Süßkartoffeln hatte ich mir ganz diffus Rotwein aus Sardinien vorgestellt. Cannonau di Sardegna also, die sardische Variante der Grenache, die einen ziemlich fabelhaften Wein ergeben kann, wenn man denn einen solchen erwischt. Da mein Weinkeller zu klein ist, um allzu viele regionale Besonderheiten berücksichtigen zu können, fand sich darin natürlich kein Cannonau. Dennoch fiel mir eine Flasche davon in die Hände, und sie wäre wirklich ganz fabelhaft gewesen, wenn sie nicht schon ein paar Jahre im Laden herumgestanden und sich dort eine doch recht deutliche Altersnote erworben hätte. Leicht bräunlich. Leicht portig. Leicht brandig. Immer noch gut zu trinken natürlich, aber nicht das, was ich mir zur Bratwurst vorgestellt hatte. Also Augen auf: eine fünf Jahre alte Riserva (das gilt natürlich nur für Italien – in Spanien rechnet man erfreulicherweise noch in anderen Kategorien) wird fast immer ein großartiger Wein sein. Außer, sie steht schon seit vier Jahren im gut beleuchteten Regal eines auf Wohlfühltemperatur (für Kunden, nicht für Wein!) beheizten Ladens.