Die Keule vom Zicklein. Aus der Papierhülle.

Keule vom ZickleinZiegen sind ja eher ein seltenes Essen. Viel häufiger trifft man sie zum Beispiel in Streichelzoos (aber beißen Sie da mal in eine hinein!) oder Bereichen, in denen reger Anlass zur Meckerei vermutet wird. Und dort wird meist direkt zurückgebissen. Aber jedenfalls: Immer um Ostern herum handelt einer meiner Metzger mit Keulen, Schultern und Rückenstücken vom Zicklein. Und daher landet, so oft es mir gelingt, zu dieser Zeit ein Zicklein auf meiner Speisekarte. Dass dabei auch eine Menge schiefgehen kann, wenn man nicht weiß, worauf man sich einlässt, geht ja niemanden etwas an. Improvisierterweise wurde daraus eine Zickleinkeule in der Papierhülle.

ZickleinkeuleTatsächlich ist das Zicklein eine ziemlich spezielle Sache. Wer gelegentlich in den Streichelzoo geht (ich habe dort neuerdings Hausverbot – siehe oben…), kennt diesen ganz spezfischen Geruch, mit dem Ziegen gesegnet sind. Die kleinen noch nicht so sehr, aber naja. Und was soll ich sagen: So schmeckt das Fleisch dann auch. Man sollte also eine gewisse Würze mögen. Im Grunde ist es wie bei reifem Camembert: Man braucht schon eine ausgesprochene Schwäche dafür, und sollte geschmacklich zumindest so weit erfahren sein, dass man es nicht gleich wieder ausspuckt. Dann kann man allerdings durchaus Spaß daran haben. Für den Einstieg kann man es daher auch erst einmal mit Lamm versuchen. Das ist das eine. Das andere ist: Die Keule war zu groß. Sie passte in keinen Topf, sie passte in keinen Bräter. Eine ausreichend große Pfanne habe ich zwar. Aber etwas anderes als Schmoren kam nicht in Frage, denn es hätte weder dem Charakter des Fleisches entsprochen, noch wäre es vermutlich einigermaßen beißbar geworden.

BratfolieDie einzige Lösung: ich musste irgendeine andere Hülle finden, in der ich sie zubereiten konnte. Sicher, da wäre noch diese aus nostalgischen Gründen aufbewahrte Packung Bratfolie aus den 70ern gewesen. Aber Plastikfolie und Ofenhitze schienen mir dann doch eine womöglich ungute Kombination. Sicher, das Zeug mag bestimmt, wenn es neu gekauft ist, gute Ergebnisse liefern, wenn man Plastikfreund ist, aber ich ließ es doch lieber bleiben, denn Plastik wird mit der Zeit ja auch nicht besser. Und in solchen Dingen neige ich eher zu Angsthasenhaftigkeit. Einzige andere Möglichkeit: Backpapier. Genauer: Eine gut verschlossene Tasche aus Backpapier, in die das Fleisch mitsamt Gewürzen, Saucengemüse und Wein verschwindet, und die im Prinzip wie ein gut verschlossener Bräter wirkt. Nur weniger formschön. Aber deshalb gibt es hier auch kein Bild davon. Nur eine Sache gäbe es da, auf die noch zu achten wäre: Papiertaschen kann man, so auch diese, mit Klammern verschließen. Und ich verschließe gerne Dinge mit Klammern. Was jedoch ungünstig ist: Durch die Keule tackern (böse!) oder gar so tief ansetzen, dass man kleine Löcher in die Papiertasche schießt, durch die der Sud herauslaufen und sich im Backofen verteilen kann (besonders böse!). Im Nachhinein betrachtet war es aber gar nicht so schlimm. Ach so, die Ziege? Die war wirklich fabelhaft. Esse ich gerne nächstes Jahr wieder!

Was man braucht (für ganz anständige Portionen):

  • 1 Keule vom Zicklein
  • Olivenöl
  • Nochmal Olivenöl – diesmal die bratfähige Version für höhere Temperaturen
  • 1 Knoblauchzehe, gehackt
  • Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle
  • Gewürze – was man gerade so zur Hand hat. Hier waren es Kerbel, Majoran, Thymian und Rosmarin.
  • ½ Möhre, in Stücke geschnitte
  • ½ Lauch, in Ringe geschnitten
  • 1 kleine Zwiebel, in Stücke geschnitten
  • 1 Selleriestange, in Stücke geschnitten
  • Weißwein. Nicht weniger als eine halbe Flasche.
  • Backpapier und einen ggf. Tacker. Backpapier! Kein Packpapier.

Das Rezept:
Olivenöl mit Knoblauch, Salz, Pfeffer und den Gewürzen vermengen. Die Keule damit von allen Seiten bestreichen, in Frischhaltefolie einschlagen und ein paar Stunden durchziehen lassen. Den Backofen auf 200 °C (Ober- und Unterhitze) vorheizen. Das Bratöl in einer großen Pfanne erhitzen und Möhre, Lauch, Sellerie und Zwiebel darin 10 Minuten leicht anrösten. In der Zwischenzeit die Keule in einer anderen Pfanne ebenfalls rundherum leicht anbraten. Backpapier auf ein Backblech legen, und Keule und Röstgemüse mittig darauf verteilen. Das Backpapier vorsichtig zu einer oben offenen Tasche falten – ggf. den Tacker zu Hilfe nehmen, aber die Klammern nicht zu niedrig setzen. Den Wein vorsichtig zugießen, bis die Keule etwa zur Hälfte im Wein liegt. Die Tasche schließen (Tacker!) und das Blech auf der mittleren Schiene in den Ofen schieben. Eine Stunde im Ofen braten, herausnehmen, die Tasche vorsichtig öffnen und den Sud durch ein Sieb in einen Topf gießen und auf dem Herd reduzieren. In der Zwischenzeit die Keule vom Knochen lösen, portionieren und auf Tellern anrichten. Mit dem Sud begießen und servieren.

Was es dazu gab:
Spinat und Kartoffeln waren das einzige, das mir einfiel, denn natürlich sollte die Ziege unbedingt und deutlich im Vordergrund stehen. Beides passte ziemlich gut und machte vor allem keine Umstände: Die Kartoffeln in Stücke geschnitten, mit Salz und Pfeffer in Olivenöl eingelegt und dann 20 Minuten zur Ziege in den Ofen gestellt, und den Spinat einfach ein paar Minuten gekocht, ausgedrückt und nochmal ein paar Minuten mit Salz, Pfeffer und Muskat im offenen Topf gegart.

Der Wein dazu:
Chapelle de PotensacGanz offen muss ich sagen, dass ich mir lange nicht sicher war, ob ich nun hier den passenden Wein erwischt hätte. Nicht, dass der, der es schließlich geworden ist, nicht geeignet gewesen wäre. Aber vielleicht hätte es noch Geeigneteres gegeben. Ausgehend vom natürlicherweise eher strengen Geschmack des Zickleins und der zusätzlichen verabreichten Kräuterwürze wäre mir eigentlich die südliche Rhône geeignet erschienen. Und mit einer Flasche selbst aus Châteuneuf-du-Pape importiertem 2014er Les Cassagnes de La Nerthe wäre sowas auch vorhanden gewesen – auch, wenn es gar kein Châteauneuf ist, sondern nur der Zweitwein von Château La Nerthe. Aber egal. Und doch: Irgendetwas drängte mich, es mit Bordeaux zu versuchen. Und das war nicht nur, dass ich dafür nicht in den Keller gehen musste, sondern noch eine Flasche herumstehen hatte. Nein, eher die Furcht, die Ziege möchte angesichts der wuchtigen Rhône ein wenig untergehen. Also Bordeaux: Eine gerade am Beginn ihrer vollen Reife stehende Flasche 2012er Chapelle de Potensac aus der nördlichen Ecke des Medoc, die, wie der zugehörige Erstwein Château de Potensac, geographisch und geschmacklich schon sehr in Richtung des etwas strenger, herber aufgestellten Saint Estèphe geht. Und, oh Wunder: das passte! Mit den feineren, geschliffeneren Sachen à la Margaux hätte ich mich’s nicht getraut, aber die Chapelle de Potensac war zur Ziege perfekt. Und ich bin froh, den La Nerthe noch ein wenig aufheben zu können….