Ganz klar gehört er zu den Dingen, die man entweder liebt oder hasst. Und die man unbedingt zu schätzen weiß, wenn man mit ihnen aufgewachsen ist, an die man sich aber erst vorsichtig herantasten muss, wenn man sie nicht von klein auf kennt. Die irgendwie geheimnisvoll wirken, weil sich schon unter ihrem Namen niemand, der sie nicht kennt, etwas vorstellen kann – am wenigsten natürlich, dass es denen, die sie kennen, nur um den Inhalt geht, während die Bezeichnung an sich vollkommen egal und im Prinzip auch austauschbar ist. Denn man weiß ja ohnehin, was gemeint ist. Der Obatzde, jene bayerische Käsezubereitung aus überaltertem Camembert und grobmotorisch dominierter Küchentradition, gehört zu diesen Dingen. Wobei schon die Bezeichnung zumindest in ihrer schriftlichen Form eigenartig anmutet, da unser normales, deutsches Standardalphabet gar nicht so wirklich in der Lage ist, diesem speziellen Begriff in all seiner bairischen, lautlichen Eigenheit gerecht zu werden. Andererseits: Wen interessiert’s?
Von Käsezubereitung war schon die Rede. Und tatsächlich ist Käse die wesentliche Zutat. Genauer: Camembert. Noch genauer: Reifer Camembert. Und präzise: Am Besten eignet sich Camembert, der seine besten Tage längst hinter sich hat. Solchen erkennt man ganz einfach daran, dass er sich möglichst nahe am aufgedruckten Verfallsdatum befindet. Und natürlich, dass er sich auch olfaktorisch schon ein wenig bemerkbar macht. Eine gewisse Muffigkeit in der Nase, eine gewisse, adstringierende Schärfe am Gaumen sind perfekt. Denn sie harmonieren hervorragend mit der Zwiebel, die hinein kommt, mit der süßen, aber üppigen Paprika, die niemals fehlen darf, mit dem Kümmel, der das Ganze nur noch besser macht, natürlich mit dem Bier, das tropfenweise ebenfalls hinein darf, und dessen Rest man natürlich dazu trinken sollte. Einigermaßen reifen lassen kann man natürlich jeden Camembert – oft finden sie sogar Anleitungen auf den Packungen, wann mit welchem Reifegrad gerechnet werden darf: Vier Wochen vor dem Ablaufdatum ist der Käse frisch, fest und ohne Geschmack – das dürfte gleichzeitig der Zustand sein, in dem er hierzulande in der Regel gegessen wird, denn natürlich ist Käse, der wirklich nach Käse schmeckt, pfui! Drei Wochen vor Ablaufdatum wird es meist nur unwesentlich besser, zwei Wochen davor dann womöglich einigermaßen interessant, eine Woche vorher schon recht gut, und am gleichen Tag schließlich ist der Käse perfekt. Wobei es natürlich auch hier große Unterschiede gibt: Der einfachste Camembert vom Discounter wird selten so schön reifen und einen derart garstigen Geschmack bekommen wie die besseren Sorten aus der Normandie. Und wohlverstanden: Der garstige Geschmack ist hier gewünscht! Oder unter praktischen Gesichtspunkten: Je reifer der Käse, desto weicher ist er natürlich, und desto leichter lässt er sich verarbeiten.
Was man braucht:
- 200-300 g Camembert. Je intensiver der Obatzde schmecken soll, desto reifer sollte der Käse sein.
- 1 Zwiebel, fein gehackt. Je mehr Zeit die Zwiebel in der Zubereitung verbringt, desto intensivere Bitternoten verströmt sie.
- 50 g weiche Butter
- 1 TL süße Paprika
- Salz und Pfeffer aus der Mühle
- ½ TL Kümmel
- ggf. 100 g fetten Frischkäse
- ggf. ein paar Tropfen Bier
- gehackter Schnittlauch (den mein Küchengarten heute nicht hergab. Petersilie war besser als gar kein Ersatz.)
Das Rezept:
Zwiebeln einigermaßen fein hacken und den Camembert in Stücke schneiden. Beides zusammen mit Frischkäse und/oder Bier (falls man möchte!) und Butter in eine Schüssel geben, die Gewürze zufügen und so lange mit Kraft vermengen, bis eine cremige, nur mehr leicht körnige Masse entstanden ist. In eine Schale füllen, abdecken und mehrere Stunden lang im Kühlschrank durchziehen lassen. Zum Servieren nochmals mit Paprika und mit gehacktem Schnittlauch bestreuen und Bauernbrot und Bier (Bayerisches Helles) dazu reichen.
Praktisches:
Dieses Rezept erhebt natürlich keinerlei Ansprüche irgendwelcher Art. Denn Rezepte für den Obatzden gibt es wahrscheinlich so viele, wie es Dörfer und Haushalte in Altbayern gibt. Man kann daher experimentieren und sich mit ein wenig Übung das eigene Rezept so zusammenstellen, wie man es gerne mag. Nimmt man, wie in meinem Fall, möglichst teuren und möglichst reifen Camembert, lässt dafür aber den Frischkäse weg, und bereitet man den Obatzden zudem einen Tag vorher zu, bekommt man eine Variante, die mit ihrer Schärfe und Intensität sowie der von den schon am Vortag verarbeiteten Zwiebeln ausgehenden Bitternote zu den eher härteren gehört, und die vor allem von Leuten geschätzt wird, die so etwas nicht zum ersten Mal essen. Kommt dagegen mehr Frischkäse zum Einsatz, wird man eher auch den ungeübten Gast dafür begeistern können. Und wenn man es besonders zart mag, dann rührt man die Zwiebel erst unmittelbar vor dem Servieren oder gar erst bei Tisch unter die Mischung.