Ich bin ja eigentlich kein großer Freund frischer Früchte. Ja, sicher, ein Stück Obst zum Frühstück. Aber mehr? Dazu fehlt mir doch meist die Gelegenheit. Oder die Zeit. Oder beides. Woran ich dann aber doch sehr häufig nicht vorbeikomme, sind frische Erdbeeren. Die ich natürlich ausschließlich wegen ihres köstlichen Geschmacks esse, und nicht etwa, weil ich sie als Zutat zu irgendwelchen Zaubertränken bräuchte. Zumal alle neuzeitlichen Zaubertränke, die irgendwie mit Erdbeeren zu tun haben, meist vor allem Halluzinationen, schlechten Schlaf und ordentliche Kopfschmerzen herbeizaubern. Und zwar in dieser Reihenfolge. Also esse ich die frischen Erdbeeren lieber so, wie sie vom Feld kommen. Und trinke, da es zur Erdbeerzeit in der Regel schon recht warm ist, natürlich gerne etwas ebenso Fruchtiges wie Erfrischendes dazu: Cidre.
Wobei ich natürlich sagen muss: Der Cidre muss nicht zwangsläufig gemeinsam mit den Erdbeeren auf den Tisch kommen. Nein, er muss noch nicht einmal mit irgendetwas anderem auf den Tisch kommen. Unschuldig und folgenlos kann man auch ein, zwei Gläser mehr davon trinken, denn Alkohol ist meist nicht allzu viel drin – zwischen 2,5 und 4,5 % bewegt sich das meist, womit der Cidre leicht genug ist, um glasweise auch als bloße Erfrischung an heißen Tagen herhalten zu können, ohne dass gleich der Rest des Tages gelaufen wäre. Herbe Apfelnoten, Kohlensäure und Kühlschranktemperatur sind dahingehend eine ziemlich unschlagbare Kombination. Und noch einen zweiten, nicht ganz unerheblichen Vorteil hat der Cidre: Er kostet kein Vermögen. Ganz im Gegenteil: Sogar sehr anständiger Cidre ist so billig, dass man eigentlich verrückt sein müsste, nicht immer eine gewisse Menge davon vorzuhalten und ihn auch nicht nur pur und am Nachmittag zur Erfrischung zu trinken, sondern ihn auch, wie es der großartige englische Getränkephilosoph Kingsley Amis in seinem Standardwerk On Drink (auf deutsch vor gar nicht langer Zeit in ziemlich lustiger Übersetzung als Anständig Trinken erschienen) tut, als Champagnerersatz in Cocktails zu nutzen, die sich nicht nur herrlich schnell und einigermaßen folgenlos trinken, sondern vor allem das Budget des geizigen Gastgebers schonen. Und selbst, wenn das Geld keine Rolle spielt: Das Buch sollte man gelesen haben, wenn man gerne etwas zu lachen hat.
Ich importiere meinen Cidre übrigens meist direkt aus Frankreich – wenn man einigermaßen nahe an der Grenze wohnt und Zeit hat, lohnen sich kleine, regelmäßige Ausflüge durchaus, die mir dann immer zwei, drei Kisten der bevorzugten Sorte in den Keller bringen (die weder die teuerste noch die billigste ist: Cidre Breton Brut aus der Cidrerie Loïc Raison in der Bretagne. Wobei es natürlich auch welchen aus der Normandie, aus Nord-Pas-de-Calais, aus der Champagne, von der Loire und noch aus ein paar anderen Ecken gäbe.). Und wenn es ausnahmsweise kein französischer Cidre sein soll:
Auch in Deutschland wird mittlerweile ziemlich guter Cidre gemacht.
Hier ist mein Favorit der Cidre aus der Privatkelterei Van Nahmen am Niederrhein, wo man nicht nur den herrlichsten Apfelsaft im ganzen Land macht, sondern auch zwei Sorten Cidre. Dass die Äpfel für beides übrigens teilweise von einer Streuobstwiese stammen, auf der ich gelegentlich faule, sonnige Sonntagnachmittage verbringe, hat übrigens überhaupt nichts damit zu tun: Er ist nur einfach unheimlich gut. Womit ich mich einzig nicht so recht anfreunden kann, das sind die flachen Steingutschalen, aus denen man den Cidre in Frankreich trinkt. Mir sind einfache Weißweingläser deutlich lieber – nicht zuletzt natürlich, weil sie deutlich eleganter aussehen als so graue Tassen. Und als geizige Gastgeber wissen wir natürlich, wie entscheidend der optische Eindruck ist!
Und um schließlich noch mal bei den Erdbeeren zu landen: Mancher lässt sich ja tatsächlich schon im Februar dazu verleiten, die ersten Erdbeeren zu kaufen. Die natürlich keinesfalls von der warmen Junisonne gereift sind, sondern ausschließlich mit Hilfe von was auch immer. Und die dafür aber auch nicht ganz so reif, nicht ganz so süß, nicht ganz so natürlich schmecken. Im Zusammenhang mit solchen Entgleisungen habe ich übrigens sogar von Leuten gehört, die, als die eigentliche Saison begann und man die Erdbeeren in ihrer ganzen, reifen Pracht hätte bekommen können, ihrer schon überdrüssig waren, weil sie sich zuvor über Monate hinweg an bleichen, sauren, wasserprallen Pseudofrüchten sattgegessen hatten. Tja, der Verbraucher will es so, könnte man natürlich sagen. Und hätte noch nicht einmal Unrecht. Also: Erdbeeren, wenn es sie vom Feld gibt. Und sonst nicht. Niemals. Nie. Den Rest des Jahres kann man den Cidre ja auch solo trinken!