Wesentliches Verdienst der bayerischen Küche ist es ja, Schweinefleisch nicht als minderwertig anzusehen, wie das heute allenthalben gerne getan wird, sondern es mit einem gastrosophischen Monument beeindruckender Größe und Wirkung ins unbedingte Zentrum der Aufmerksamkeit und vor allem an die wichtigste Stelle jeder altbayerischen Wirtshausspeisekarte zu rücken: Dem bayerischen Schweinsbraten (sic!). Er ist, das gebe ich gerne zu, nicht unbedingt und in jedem Fall zart und elegant. Und er ist auch nicht wirklich hochsommergeeignet oder gar mediterran. Genauso wenig sieht er besonders raffiniert aus, oder lässt phantasiereiche Variationen zu – allenfalls kann man sich noch zwischen Kartoffel- und Semmelknödeln entscheiden, aber das war’s dann auch schon mit der Phantasie. So gesehen steht er also möglicherweise beispielhaft für ganz Altbayern – dies jedoch durchaus nicht im schlechtesten Sinne, denn in eben dieser Zuverlässigkeit, seiner Einfachheit, seiner unbedingten Rustikalität und schließlich seiner ausreichend Erfahrung erfordernden Zubereitung liegt sein ganzer Reiz. Und dies natürlich umso mehr, je weiter man sich extra bavariam befindet und ihn daher nicht einfach im nächsten oder übernächsten Wirtshaus bekommt, sondern ihn selbst zubereiten muss. Und da mein Metzger immer noch seine Oktoberfestaktion fuhr, ein Kälteeinbruch einen stufenlosen Wechsel von Shorts zu Tweed ermöglichte, ich immer gerne einen Vorwand habe, um mit viel dunklem Bier zu kochen, und ich schließlich an einem ruhigen Sonntag Abend keinerlei Rücksicht auf uneingeweihte Gäste nehmen musste, wurde es ein kleiner Schweinsbraten mit Dunkelbiersauce. Genauer: eine Haxe. Noch genauer: Eine kleine Spanferkelhaxe à la bavaroise.
Bevor man sich aber nun wild entschließt, das Rezept nachzukochen, sollte man ein paar Dinge wissen. Es gibt durchaus Leute, die glauben, man können die Sauce ohne Bier zubereiten, weil Bier mit Alkohol und daher böse sei. Das ist aber Unfug – es geht nicht ohne Bier. Genauso gut kann man Hühnersuppe ohne Huhn kochen. Oder Pommes Frites ohne Kartoffeln. Und dann gibt es Leute, denen Bier nicht schmeckt – für die ist es auch nicht geeignet. Wer fettfrei essen möchte, ist ebenfalls falsch – wobei das Spanferkel gleichsam noch so eine Art Schweinsbraten light darstellt. An üppigen Beilagen führt ebenfalls kein Weg vorbei – Knödel, und vielleicht noch Krautsalat mit Speck. Bratkartoffeln und Sauerkraut seien hier nur zur Warnung erwähnt, und wer an Spätzle auch nur denkt, der hat keinerlei Schonung verdient. Also: Wenn man es nicht konsequent machen kann, nicht konsequent machen will, sich nicht traut oder weltanschauliche Vorbehalte gegen Schweinefleisch, Bier oder Knödel hat, sollte man es bleiben lassen und auf andere Weise glücklich werden. Und nachdem hier nun – auf dem Sujet durchaus angemessene Art und Weise – die Positionen klargemacht sind, kann es losgehen!
Was man braucht (für 2 Portionen):
- 2 kleine Spanferkelhaxen.
- 2 Flaschen dunkles Bier. Kein Alt, aber auch kein Bock, einfach nur simples, untergäriges dunkles Vollbier. Meine außerhalb Bayerns erhältlichen Favoriten sind (in dieser Reihenfolge) Kloster Weltenburger Dunkel, Andechser Export Dunkel (das ein wenig herber ist) oder zur Not auch König Ludwig Dunkel (wobei mir die Brauerei Kaltenberg ein wenig unsympathisch geworden ist, seit man das Weißbier vom Prinzregenten Luitpold auf den König Ludwig umgetauft hat).
- 1 Möhre, in dicke Scheiben geschnitten
- 1 dicke oder zwei kleine Zwiebeln, gerviertelt oder geachtelt – die Stücke sollten nicht allzu klein werden.
- 1 Knoblauchzehe
- Kümmel
- Beifuß
- Salz und Pfeffer
- Butter
Das Rezept:
Die Schwarte an den Haxen mit ein paar Entlastungsschnitten versehen, damit sie sich beim Braten durch den natürlichen Schrumpfvorgang nicht zu sehr verzieht. Hat man eher fette Haxen erwischt, kann man auch gleich Rauten schneiden. Dann die Haxen rundherum mit Salz, Pfeffer, Kümmel und Beifuß einreiben.

Mit den Gewürzen eingerieben & bratfertig. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das grüne, flockige Zeug ist der Beifuß. Die Haxe war so frisch, wie sie nur sein konnte!
Butter in einem Bräter mit ausreichend hoher Wand (Gußeisen ist ideal) erhitzen und die Haxen kurz rundherum anbräunen. Zwiebeln, Möhrenscheiben und Knoblauchzehen zugeben und auf der mittleren Schiene in den Backofen (Bairisch: ‚as Bratrohr!) schieben. Bei 150 °C (Umluft und Grill kombiniert) etwa 3 Stunden lang braten. Nach etwa 20 Minuten ein wenig heißes Wasser oder ein erstes Glas Bier zugeben – das Gemüse sollte halb bedeckt sein, so dass sich an Möhren und Zwiebeln noch Röstaromen bilden können, aber keine verkohlten Stellen. Etwa 20 Minuten vor Ende der Bratzeit wird die Temperatur auf 200 °C erhöht und das Fleisch nun mehrmals mit Bier übergossen. Wenn am Ende ein wenig Bier übrigbleibt, ist das nicht weiter schlimm – man kann es z.B. trinken. Schließlich das Fleisch aus dem Bräter nehmen, warmstellen, und die Sauce durch ein Sieb in einen Topf gießen. Wer sehr empfindlich ist, kann an dieser Stelle die Sauce entfetten. Die Sauce auf dem Herd nochmals erhitzen, einen Teil davon über die auf Tellern angerichteten Haxen geben und den Rest möglichst heiß auf den Tisch bringen.
Was es dazu gab:
Kartofffelknödel. Die kann man frisch machen. Ich habe es noch nicht oft versucht und bin bisher immer gescheitert. Also fertigen Knödelteig verwenden – aber im Himmels Willen keine fertigen Knödel! Und natürlich rechtzeitig anfangen – Knödel in der Größe, wie man sie auf dem Bild oben sieht, haben eine Garzeit von knapp 25 Minuten. Die Zubereitung ist denkbar einfach: Man bringt ausreichend Wasser in einem Topf zum Kochen, gibt die Knödel hinein, stellt den Herd ab und wartet 25 Minuten. Fertig! (Ja, ich weiß, das war nun ein wenig lieblos – das ist allerdings die direkte Folge meines Misserfolgs bei der manuellen Knödelherstellung. Irgendwann, mit ausreichend Übung, wird mir das auch gelingen!)
Das Bier dazu:
Wo schon mit bayerischem Bier gekocht wird, da sollte man es natürlich auch trinken. Und es gibt da gleich ein paar Varianten: Zum einen kann man natürlich das Dunkle nehmen, mit dem auch die Sauce hergestellt wurde. Das macht die Sache einigermaßen schwer und süß. Dann kann man auch Bock, Doppelbock oder, in der Fastenzeit, Starkbier nehmen. Das macht die Sache noch schwerer, meist aber auf Kosten von Süße und mittelfristiger Ansprechbarkeit. Eher leicht und herb wiederum wäre normales Helles. Oder aber, und das ist mein eigentlicher Favorit: Heller Bock, den es als Maibock im Mai gibt, und z.B. als Andechser Bergbock das ganze Jahr: Kräftig und voll, von honiggelber Farbe, und doch noch herb genug, um für einen interessanten, aber nicht zu ausgeprägten Kontrast zur kräftigen Dunkelbiersauce zu sorgen. Aber Vorsicht: Zu viel von dem Zeug, und bei zu warmen Temperaturen, und man liegt ziemlich schnell unter dem Tisch. Daher gab es heute normales Helles (Augustiner Edelstoff) dazu. Prost!