Was der kleine Hunger zwischendurch sein soll, für den es zumindest in der Werbung so viele (und meist recht schokoladenlastige) Lösungen gibt, habe ich eigentlich nie so recht verstanden. Denn entweder hat man Hunger, oder man hat keinen. Und entsprechend isst man dann etwas, oder man lässt es bleiben. Nur eine Ausnahme von dieser Regelung kann ich mir vorstellen: Man ist auf einer Weinmesse unterwegs, hat zwar keinen Hunger, muss aber etwas essen, weil man sonst erst am Tag darauf von der Hallenreinigung gefunden wird. Für solche Fälle jedoch sind (zumindest bei mir) schokoladenhaltige Lösungen denkbar ungeeignet. Ich habe stattdessen immer links und rechts ein paar kleine Würste in der Jackentasche.
Was mir aber eher in das Konzept des kleinen Hungers zu passen scheint, ist das kleine Mittagessen: Wenn man es nämlich geschafft hat, den Vormittag einigermaßen sinnvoll zu verbringen und auch am Nachmittag nicht völlig apathisch vor sich hindämmern möchte, kommt man gar nicht daran vorbei, nur wenig zu essen, statt sich eine volle Ladung Kantinenschnitzel in den Hals zu stopfen. Was mich wiederum zur folgenden, nur auf den ersten Blick gewagt scheinenden Frage verleitet: Kann es sein, dass Ämter und Behörden für den Publikumsverkehr vor allem deshalb nur vormittags geöffnet haben, weil sich nachmittags der Schnitzelkater einstellt? Vermutlich ist es nicht so – schließlich arbeiten auch in solchen Einrichtungen eine Menge Leute, die sich grundsätzlich von Salat mit Putenbruststreifen ernähren und damit auch am Nachmittag hungerbedingt ziemlich biestig werden können. Aber bevor ich mir hier Feinde mache, enttarne ich die Frage lieber gleich als allzu beliebten, aber doch meist unbegründeten Topos und weise darauf hin, dass man Kantinen durchaus meiden kann, wenn man denn nur möchte. Mir zum Beispiel gelingt es ziemlich häufig, und wenn ich dann auch noch das Glück habe, mir mein Mittagessen selbst zubereiten zu können, gibt es gar nicht selten das, was ich als kontinentaleuropäische Variante von Eggs Benedict ansehen würde – jenem fabelhaften amerikanischen Katerfrühstück mit englischen Muffins, gekochtem Schinken, einem pochierten Ei und Sauce hollandaise. Nur, dass wir es hier mit Bauernbrot, würzigem Bauchspeck und einer Scheibe Käse zu tun haben.
Und damit wären wir beim pochierten Ei. Das pochierte Ei an sich ist eine wunderbare Sache, gehört aber so ziemlich zu den anspruchsvollsten Rezepten überhaupt. Der Witz daran ist nämlich: Man muss ein Ei in gerade nicht mehr siedendem Wasser ziehen lassen, bis das Eiweiß wachsweich ist und das Eigelb gerade noch flüssig. Und zwar ohne Schale und freischwimmend. Unmöglich? Eigentlich nicht – man braucht nur ein wenig Übung und die passenden Hilfsmittel. Diese sind: Ein Topf voller siedendem Wasser. Ohne Salz, dafür aber mit einem Schuss Weißweinessig – er sorgt für eine schnellere Gerinnung des Eiweiß. Eine Tasse oder Schöpfkelle. Und eine Abtropfkelle. Das Ei wird nun in die Tasse oder in die Schöpfkelle geschlagen und dann vorsichtig, aber zügig im gerade nicht mehr siedenden Wasser versenkt. Arbeitet man zu schnell, löst sich das Eiweiß sofort in vieldimensionale Fäden auf, und arbeitet man zu langsam, dann bleibt es im Tauchgefäß kleben. Also: Üben, üben, üben. Dann das Ei drei bis vier Minuten ziehen lassen, vorsichtig herausnehmen, abtropfen und damit machen, was immer man damit vorhat.
Ach ja, mein Rezept. Was man braucht:
- ½ Scheibe dick geschnittenes Bauernbrot
- 3-4 Scheiben fetten Bauchspeck, Frühstücksspeck oder Lardo. Je teurer der Speck, desto besser ist er normalerweise. Und kauft man ihn im Bioladen, ist er meist sogar noch besser. Man braucht ja auch nicht so viel davon.
- 1 Scheibe geschnittenen Käse. Die Sorte ist eigentlich ziemlich egal, nur sollte es kein Schmelzkäse sein, denn der ist oft ziemlich widerlich. Und wenn man des Specks wegen schon im Bioladen ist, kann man da den Käse auch gleich mitnehmen.
- 1 Ei
- Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle
- Ein paar Tropfen Weißweinessig (nicht übertreiben!)
- Ggf. ein wenig Butter

Den Damen sei gesagt: Nicht nur Mäuse fängt man mit derart erstklassigem Speck. Auch alleinstehende Herren in den besten Jahren werden davon oft ziemlich stark angezogen.
Das Rezept:
Speckscheiben in eine Pfanne legen, erhitzen und so lange braten, bis sie leicht gebräunt und knusprig sind. Wenden, dicht nebeneinander legen und nochmal kurz braten. Dann die Pfanne vom Herd nehmen, Käsescheibe darauf legen und langsam weich werden lassen. In der Zwischenzeit das Brot entweder toasten oder in ein wenig Butter von beiden Seiten anbraten. Gleichzeitig das Ei pochieren. Das Brot auf einen Teller setzen, das Speck-Käse-Laminat vorsichtig aus der Pfanne auf das Brot heben, das pochierte Ei darauf platzieren, mit Salz und Pfeffer würzen und servieren.
Fazit:
Ein herrliches, kleines Rezept, das als leichtes Mittagessen ohne Fleisch- und Fettverzicht fabelhaft geeignet ist und sich meiner Meinung nach als Katerfrühstück sogar noch besser eignet als Eggs Benedict, da man in dem Zustand, in dem man ein Katerfrühstück benötigt, ja normalerweise nicht in der Lage sein dürfte, noch eine Sauce hollandaise vorzubereiten. Und falls es das pochierte Ei doch zu Mittag gibt, kommt man damit normalerweise auf eine ausreichende Reichweite, um es bis zur Junggesellen- und Strohwitwervariante von Kaffee und Kuchen zu schaffen. Notfalls reicht es sogar bis zum ersten Bier. Und da es in 10 Minuten zubereitet ist, kann man es natürlich ganz leicht wiederholen – falls der kleine Hunger zwischendurch doch noch einmal überraschend auftauchen sollte.
p.s. Falls es mit dem Pochieren auch nach längerem Üben nicht klappen sollte: Auch für diesen Zweck gibt es Hilfsmittel aus Silikon, um ein wohlgeformtes Ergebnis in zufriedenstellender Konsistenz zu erreichen.